a) Zivilrecht
Rz. 10
Zivilrechtlich ergibt sich die Disposition des Beschwerten über die Fälligkeit des Steuervermächtnisses aus der Auslegungsregel des § 2181 BGB. Danach wird die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Längerlebenden fällig, wenn die Zeit der Erfüllung des Vermächtnisses seinem freien Belieben überlassen ist. Es kann also das angesprochene Spannungsfeld zwischen dem Versorgungsinteresse für den längerlebenden Ehegatten und dem der Erbschaftsteuerersparnis vollständig entladen werden. Der Nachlass des Erstversterbenden steht dann – trotz der Vermächtnisansprüche hieran – dem Längerlebenden im Zweifel bis zu seinem Tode zur Verfügung.
Rz. 11
Nach dem ersten Erbfall begünstigte Abkömmlinge werden bereits beim Tode des Erstversterbenden Anspruchsinhaber des nicht fälligen Vermächtnisses, §§ 2174, 2176 BGB. Der Anspruch kann auf Antrag durch dinglichen Arrest gem. § 916 ZPO gesichert werden. Dem kann mit einem dem überlebenden Ehegatten eingeräumten Untervermächtnis in Form eines Anspruchs auf Abschluss einer vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung begegnet werden. Allerdings ist die Gefahr eines entsprechenden Antrags wohl eher gering, da die Anordnung wohl regelmäßig an dem fehlenden Arrestgrund (z.B. Gefährdungshandlung des Schuldners i.S.d. § 916 Abs. 1 ZPO) scheitern wird.
b) Erbschaftsteuerrecht
aa) Fälligkeit beim Tod des Längerlebenden
Rz. 12
Für die steuerliche Beurteilung der Fälligkeit eines Vermächtnisses ist die Regelung des § 6 Abs. 4 ErbStG zu beachten. Danach werden (erst) beim Tod des Beschwerten (Längerlebenden) fällige Vermächtnisse wie Nacherbschaften behandelt. Es greift also die erbschaftsteuerliche Fiktion des § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG, wonach bei Eintritt der Nacherbfolge derjenige, auf den das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern hat (siehe § 8 Rdn 138>). Die Vermächtnisse sind also als Erwerb vom überlebenden Elternteil zu versteuern. Folglich liegt insoweit weder beim Tod des erstversterbenden noch beim Tod des überlebenden Ehegatten eine die jeweilige Bereicherung durch Erbanfall mindernde Vermächtnislast nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vor. Die Ziele des Steuervermächtnisses, die Freibeträge der Abkömmlinge nach dem Erstverstreben zu nutzen und die steuerpflichtige Erbmasse des Letztversterbenden zu mindern, werden also vollständig verfehlt. Die Finanzverwaltung gesteht dann "immerhin" eine abzugsfähige Erblasserschuld des überlebenden Ehegatten bei dessen Tod zu, § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.
bb) Fälligkeit im freien Belieben des Längerlebenden
Rz. 13
Da mithin eine Fälligkeit des vom Erstversterbenden angeordneten Vermächtnisses erst zum Zeitpunkt des Todes des belasteten Letztversterbenden jedenfalls steuerlich an § 6 Abs. 4 ErbStG scheitert, kommt eine Anordnung i.S.d. § 2181 BGB in Betracht. Um dem angesprochenen Versorgungsinteresse des Längerlebenden gerecht zu werden, kann die Zeit der Erfüllung des Vermächtnisses in das freie Belieben des Beschwerten gestellt werden. Allerdings tritt auch hier der eben beschriebe (siehe Rdn 12>) negative Effekt ein: § 2181 BGB ordnet nämlich für diesen Fall an, dass die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Beschwerten fällig wird. Es greift steuerlich also wiederum § 6 Abs. 4 ErbStG.
Rz. 14
Wird allerdings das Vermächtnis, dessen Erfüllungszeitpunkt dem freien Belieben des Beschwerten (Längerlebenden) überlassen wird, von diesem vorzeitig – mithin vor dem eigenen Versterben – erfüllt, ist dies steuerlich anzuerkennen, da die Erfüllungsentscheidung des Längerlebenden steuerlich eine Betagung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG darstellt.
cc) Fälligkeitstermin
Rz. 15
§ 6 Abs. 4 ErbStG greift hingegen nicht, wenn der Erblasser einen fixen Termin als "Auffangtermin" anordnet, an dem das Vermächtnis durch den längerlebenden Ehegatten spätesten zu erfüllen ist. Dieser wird so bestimmt, dass ihn der Längerlebende wahrscheinlich noch erlebt, da ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO durch die Finanzverwaltung angenommen werden könnte. Ordnen z.B. bereits 80jährige Testierende die (späteste) Fälligkeit des Vermächtnisses erst 30 Jahre nach dem Tode des Erstversterbenden an, wird § 6 Abs. 4 ErbStG greifen. Als realistischer Auffangtermin können im Regelfall fünf Jahre oder aber – bei älteren Testierenden – jedenfalls auch drei Jahre angesehen werden.
dd) Kriterien zur Bestimmung des Auffangtermins
Rz. 16
Bei der Bestimmung des Fälligkeitstermins ist neben dem Versorgungsinteresse des Längerlebenden und dem notwendigen Auffangtermin steuerlich Folgendes zu beachten:
Rz. 17
Erbschaftsteuerlich greift bei einer mehr als einem Jahr hinausgeschobenen Fälligkeit die Regelung des § 12 Abs. 3 BewG, wonach der Wert des Steuervermächtnisses mit einem jährlichen Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen ist. Es ist also beim Erbfall des Erstverstrebenden im R...