Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 92
Wie bereits dargestellt erwirbt der Nacherbe mit dem Tod des Erblassers ein erbrechtliches Anwartschaftsrecht, das grundsätzlich übertragbar und vererblich ist. In entsprechender Anwendung des § 2033 BGB kann das Nacherbenanwartschaftsrecht in notariell beurkundeter Form übertragen werden. Die §§ 2371, 2385 BGB sind auf das Kausalgeschäft analog anwendbar. Auch ein Nach-Nacherbe erwirbt mit dem Erbfall ein solches Anwartschaftsrecht. Folglich besteht hier aus Sicht des geschiedenen Erblassers eine weitere Gefahr der Teilhabe des Ex-Ehegatten an seinem Nachlass.
1. Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts
Rz. 93
Stirbt der Nacherbe schon vor dem Erblasser selbst, hat er selbst noch kein Nacherbenanwartschaftsrecht erworben, das er weitervererben kann. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass der Nacherbe zur Zeit des Erbfalls noch lebt (§ 2108 Abs. 1 i.V.m. § 1923 BGB).
Überlebt der Nacherbe den Erblasser und stirbt vor oder gleichzeitig mit Eintritt des Nacherbfalls, so stellt sich die Frage, ob das Anwartschaftsrecht als Bestandteil seines Nachlasses an seine Erben weitervererbt wird oder ob ein Ersatznacherbe eintritt. Es ist umstritten, ob eine ausdrückliche Ersatznacherbfolge die nach § 2108 Abs. 2 BGB vermutete Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts ausschließt.
Eine Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass eine ausdrückliche Ersatznacherbenberufung gem. § 2096 BGB die Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts ausschließt.
Das BayObLG hat hierzu jedoch eine andere Auffassung vertreten. Es geht davon aus, dass sich generelle Regeln für die Konkurrenz zwischen den § 2108 Abs. 2 BGB und §§ 2069, 2096 BGB nicht aufstellen lassen, sondern jeweils allein der durch individuelle Auslegung zu ermittelnde Erblasserwille maßgeblich ist. Selbst die ausdrückliche Ersatznacherbenberufung soll demnach nicht für den Ausschluss der Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft sprechen.
Rz. 94
Die Rechtsprechung und die Ansichten der Literatur zu diesem Problemkreis stellten sich im Detail wie folgt dar:
Das Reichsgericht ging davon aus, dass die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft regelmäßig weder durch die ausdrückliche Einsetzung eines Ersatznacherben noch durch eine Nacherbenberufung eines Abkömmlings (mit der Folge der Anwendbarkeit des § 2069 BGB) ausgeschlossen ist.
Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung grundsätzlich übernommen. Es wird aber offen gelassen, ob bei ausdrücklicher Einsetzung eines Ersatznacherben etwas anderes gelten soll. Des Weiteren weist der BGH in der Entscheidung darauf hin, dass es entscheidend auf den Willen des Erblassers ankomme, der nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln sei.
Das OLG Köln vertritt die gleiche Auffassung.
Rz. 95
Anderer Ansicht war hingegen das BayObLG. Demnach könne eine generelle Regel im Verhältnis zwischen § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB und der Ersatznacherbfolge nicht aufgestellt werden. Dies gelte sowohl bei einer ausdrücklichen Einsetzung als auch aufgrund einer Berufung nach § 2069 BGB. Maßgeblich sei in beiden Fällen der Wille des Erblassers, der nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln ist.
Rz. 96
Lieder äußert sich in gleicher Weise. Hat der Erblasser ausdrücklich einen Ersatznacherben bestimmt, werde die Auslegung aber in der Regel ergeben, dass die Nacherbenstellung nicht vererblich sein soll, während bei einer Ersatzerbenberufung nach § 2069 BGB die Vererblichkeit zumeist nicht ausgeschlossen werden soll.
Weidlich vertritt die Meinung, dass bei der ausdrücklichen Einsetzung eines Ersatznacherben die Auslegung in aller Regel zur Unvererblichkeit führen wird, ohne dass dies aber zwingend sein muss.
Nach Frohnmayer kann beim Tod des Nacherben zwischen dem Erbfall und dem Nacherbfall nicht von einem Wegfall des Nacherben gem. § 2096 BGB gesprochen werden. An die Stelle des Nacherben tritt kein Ersatznacherbe. Vielmehr geht das Recht des Nacherben auf seine Erben über. Es ist davon auszugehen, dass der Erblasser den Ersatznacherben auch für den Tod des Nacherben zwischen dem Erbfall und dem Nacherbfall berufen hat. Der Ersatznacherbe kann in diesem Fall aber nur dann zum Zuge kommen, wenn das Nacherbenanwartschaftsrecht nicht vererblich ist und damit ein Ersatzfall vorliegt. In der ausdrücklichen Einsetzung eines Ersatznacherben ist daher im Zweifel der Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts zu sehen. Demgegenüber kann bei einer Ersatznacherbenberufung aufgrund der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB kein Erfahrungssatz angenommen werden, wonach der Erblasser den weiteren Abkömmlingen den Vorrang vor der Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts geben will.
§ 2108 Abs. 2 S. 1 BGB ge...