Rz. 104
Nach § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist erbunwürdig, wer den Erblasser vorsätzlich oder widerrechtlich daran gehindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben. Diese "schädigende Handlung" kann auch durch Gewalt, Täuschung oder Drohung erfolgen. Auch die Ausnutzung einer Willensschwäche oder Zwangslage des Erblassers ist hierunter zu subsumieren. Der bloße Versuch dieser Handlungen hingegen reicht nicht aus. § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch auf den Erbverzicht anwendbar. § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB zielt auf die Fälle der arglistigen Täuschung hinsichtlich der Willensbildung des Erblassers ab. Da eine Täuschung auch durch Unterlassen begangen werden kann, fragt sich, ob eine Offenbarungspflicht des Bedachten für bestimmte Umstände besteht, deren Unterlassen die Willensbildung des Erblassers nach dieser Vorschrift beeinflusst hat. Insbesondere bei fortdauerndem ehewidrigem Verhältnis, das verschwiegen wird, obwohl der ehebrecherische Begünstigte weiß, dass der andere Ehegatte im Vertrauen auf die eheliche Treue das Testament zu seinen Gunsten errichtet, geht die Rspr. davon aus, dass dieser Ehegatte erbunwürdig ist. Allerdings macht der BGH diese Offenbarungspflicht davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt die eheliche Verfehlung vorliegt. Je länger diese zurückliegt, umso weniger ist von einer Offenbarungspflicht auszugehen. Aufgrund der Lebenserfahrung ist die eheliche Treue für den Ehegatten, der den anderen Ehepartner testamentarisch einsetzt, regelmäßig immer als tragendes Motiv der Willensbildung anzusehen. Dasselbe gilt auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartner nach dem LPartG. Die von der Lit. kritisierte Rspr. hat bisher deren Linie nicht verlassen.
Praxishinweis
Sofern der Erbunwürdigkeitsgrund des § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB wegen ehelicher Verfehlungen des begünstigten Ehegatten geltend gemacht werden soll, sind wegen des von der Rspr. angenommenen "Zeitmoments" der ehelichen Verfehlung diese Gründe unverzüglich geltend zu machen. Andernfalls droht durch faktisches Nichtstun für den Anfechtenden der Verlust der Anfechtungsmöglichkeit nach § 2340 Abs. 1 BGB.
Rz. 105
Praxisrelevant ist auch der Tatbestand des § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB in Form der fälschlichen Anfertigung oder Verfälschung des Testaments. Auf den Zeitpunkt der strafbaren Handlung (§§ 267, 271–274 StGB) kommt es nicht an. Liegt ein Urkundsdelikt in dieser Form vor, führt das regelmäßig zur Erbunwürdigkeit. Auf die Beweggründe des Täters kommt es nach der Rspr. des BGH hierbei nicht an, was bedeutet, dass jeder unerlaubte Eingriff in den Vorgang der Testamentserrichtung zur Erbunwürdigkeit führt. Dies bedeutet andererseits, dass es nicht darauf ankommt, ob der Täter aus anerkennenswerten Motiven handelte oder nicht. Auch wenn die Fälschung möglicherweise dem "wahren Willen" des Erblassers entspricht, ist die Erbunwürdigkeit gegeben.