Rz. 55
Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser den Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte, § 2077 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB.
Rz. 56
Nach der Vermutungsregel des § 2077 Abs. 3 BGB ist die Verfügung allerdings nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen haben würde. Nach der Fiktion des § 2077 Abs. 3 BGB kommt es deshalb auf den Willen der Testierenden hinsichtlich ihrer gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung an. Über § 2268 Abs. 2 BGB wird deshalb den Ehepartnern die Möglichkeit gegeben, auch über die Dauer der Ehe hinaus zu testieren. Entscheidend ist somit, ob ein Aufrechterhaltungswille der Ehegatten hinsichtlich der letztwilligen Verfügung trotz Ehescheidung vorliegt. Nach BGH vom 7.7.2004 können die über § 2268 Abs. 2 BGB fortgeltenden wechselbezüglichen Verfügungen auch nach der Scheidung der Ehe ihre Wechselbezüglichkeit behalten. Daher können sie grundsätzlich nicht gem. § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB durch einseitige Verfügungen von Todes wegen wieder aufgehoben werden. Dahingehende fortgeltende wechselbezügliche Verfügungen können nur nach den für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden Regeln widerrufen werden.
Nicht nur das gewillkürte, sondern auch das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten kann (§ 1933 BGB) trotz rechtshängigem Scheidungsantrag bestehen bleiben, wenn sich die Ehegatten wieder "zusammengerauft" haben, allerdings der Scheidungsantrag nicht zurückgenommen wurde. Die Beweislast hierfür trägt der überlebende Ehegatte. Die bloße Möglichkeit, dass eine Versöhnung der Ehegatten hätte stattfinden können, ist hingegen ungeeignet, die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 BGB entfallen zu lassen.
Rz. 57
Soll dies verhindert werden, ist im gemeinschaftlichen Testament der Ehepartner der ausdrückliche Hinweis aufzunehmen, dass für den Fall eines rechtshängigen Scheidungsantrages die gesamte Verfügung von Todes wegen unwirksam und § 2268 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein soll. Da die Vorschrift des § 2077 BGB eine widerlegbare Fiktion beinhaltet, sollte der jeweils geschiedene Ehegatte durch ein einfaches Schreiben darlegen, ob das ursprüngliche Testament mit der Erbeinsetzung des vormaligen Ehepartners weiter gelten soll oder nicht. Dies kann durch ausdrücklichen Widerruf in einem neuen Testament erfolgen.