a) Allgemeines
Rz. 70
Es muss für die Geltendmachung und der Beweisführung der Dürftigkeitseinrede keine gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung der Anordnung des Nachlassverwaltungsverfahrens oder des Nachlassinsolvenzverfahrens vorliegen. Der Erbe kann gem. § 2002 BGB auch ein Inventar errichten, um die Dürftigkeit zu untermauern. Vollkommen ausreichend ist aber auch eine Angabe über den ursprünglichen Stand des Nachlasses und die Gründe der Dürftigkeit. Zudem steht dem Erben die Möglichkeit zur Verfügung, die Dürftigkeit mit einer Eidesstattlichen Versicherung darzulegen.
Rz. 71
Sollte eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, dass die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren aufgrund der fehlenden deckenden Vermögensmasse aufgehoben bzw. abgelehnt worden ist, kann der Erbe dadurch einen Nachweis der Dürftigkeit vorweisen. Die gerichtliche Entscheidung ist auf allen Seiten bindend. Folglich sind weitere Beweismittel oder Vorträge des Erben nicht erforderlich. Eine solche Bindungswirkung entfällt, wenn nach dem Urteil des Nachlassgerichts doch etwaige Nachlassaktiva sichtbar werden. Dabei kann auch ein erneuter Antrag einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt werden.
Rz. 72
Wird die Dürftigkeitseinrede vom Erben erhoben, so muss er die Aufnahme des Haftungsbeschränkungsvorbehalts gem. § 780 ZPO in das Urteil beantragen. Sonst könnte er die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit auf den Nachlass verlieren. Der Vorbehalt muss auch bei einem Prozessvergleich aufgenommen werden, sonst besteht auch hier ein Verlust der Haftungsbeschränkung. Wenn jedoch feststeht, dass der Erbe die Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung bereits vollumfänglich verloren hat, ist er ohne den § 780 ZPO zu verurteilen.
Bei einem Urteil des Nachlassgerichts über den Vergütungsfestsetzungsantrag eines Nachlasspflegers kann der Vorbehalt aus § 780 ZPO nicht gezeichnet werden.
b) Darlegungs- und Beweislast
Rz. 73
Es besteht für den Erben die Pflicht, dass er sich in den Urteilstenor einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt gem. § 780 ZPO zeichnen lässt. Für das Gericht entsteht aus diesem Grund die Pflicht der Sachverhaltsaufklärung. Die Dürftigkeitseinrede ist grundsätzlich auch im Berufungsverfahren zulässig, sollte die Nachlassdürftigkeit streitig sein und das Berufungsgericht den Haftungsbeschränkungsvorbehalt des Erben ausrufen.
Hinweis
Die Dürftigkeitseinrede ist auch ausnahmsweise im Revisionsverfahren möglich, wenn die Erhebung der Einrede in der Tatsacheninstanz nicht stattgefunden hat und nicht möglich war.
Rz. 74
Erhebt der beklagte Erbe die Dürftigkeitseinrede und liegt diese dem Gericht unstreitig vor, so muss das Gericht die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass des Erben ausrufen. Ist jedoch die Dürftigkeit streitig, so besteht die Verpflichtung des Gerichts, ein ordnungsgemäßes Urteil mit dem Vorbehalt aus § 780 Abs. 1 ZPO zu fällen. Ist im Urteil der Vorbehalt aus § 780 Abs. 1 ZPO enthalten, steht die Haftungsbeschränkung nicht dem Erben wegen der Prozesskosten der Nachlassverbindlichkeiten zu, weil er hier auch sein Eigenvermögen schützt. Der Erbe kann die Haftung für die Prozesskosten mit seinem Eigenvermögen umgehen, wenn er die Nachlassverbindlichkeiten direkt anerkennt gem. § 93 ZPO.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Haftungsbeschränkungsvorbehalt in einem notariellen Vollstreckungstitel aufgenommen wird.
c) Geltendmachung der Dürftigkeitseinrede in der Zwangsvollstreckung
Rz. 75
Wird trotzdem durch den Gläubiger in das Eigenvermögen des Erben vollstreckt, ist die Geltendmachung der Dürftigkeitseinrede in der Zwangsvollstreckung mit der Vollstreckungsgegenklage analog gem. §§ 781, 784 und 785 ZPO vorzunehmen.
Rz. 76
Bestehen Steuerforderungen der Finanzbehörden, ist die Einrede nur im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend zu machen. Dadurch ist auch die Erhebung der Dürftigkeitseinrede gegenüber öffentlich-rechtlichen Abgabenschulden möglich, aber nur, wenn sich daraus für den Erben eine Eigentümerstellung aus einem Nachlassgrundstück ergibt. Entsteht die Beitragspflicht bzw. Schuld erst nach dem Tod des Erblassers, so sind dies eigene Verbindlichkeiten des Grundstückseigentümer. Diese fallen somit auch nicht unter die §§ 1975 und 1990 BGB.
Rz. 77
Liegen sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen vor, so kann der Erbe die Dürftigkeitseinrede in einer Anfechtungsklage gegen einen ...