Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 200
Von einem zeitgemäßen Organisationsmodell kann vor allem deshalb keine Rede sein, weil der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen hat, vernünftige Regelungen für die interprofessionelle Zusammenarbeit von Angehörigen verschiedener Berufe zu schaffen, und dies in Bezug auf die maßgebliche Mindestversicherungssumme der sozietätsfähigen Berufe nach §§ 59a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2, 59e Abs. 1 BRAO, §§ 49 Abs. 2, 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG, §§ 27 Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 1 und 1a, 44b WPO damit begründet hat,
Zitat
"dass einem allgemeinen berufsrechtlichen Grundsatz zufolge im Falle von divergierenden berufsrechtlichen Anforderungen stets die strengsten gelten".
(a) Überblick über verschiedene Versicherungskonstellationen
Rz. 201
Nach diesem sog. Prinzip der Meistbelastung müssen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nach Einschätzung des Gesetzgebers für einen Mindestversicherungsschutz von 2,5 Mio. EUR Sorge tragen, wenn sie zusammen mit Rechtsanwälten in einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung kooperieren wollen, obwohl § 67 Abs. 2 S. 1 StBerG, § 52 Abs. 4 DVStB und § 54 Abs. 1 S. 2 WPO i.V.m. § 323 Abs. 2 S. 1 HGB und § 2 Abs. 1 WPBHV lediglich eine Mindestversicherungssumme von 250.000 EUR bzw. 1 Mio. EUR für monoprofessionelle Partnerschaften von Steuerberatern bzw. Wirtschaftsprüfern vorschreiben.
Rz. 202
Einen entsprechenden Schritt müssen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gehen, wenn sie sich mit Anwälten in einer GmbH zusammenschließen wollen, weil § 59j Abs. 2 S. 1 BRAO für die Rechtsanwalts-GmbH eine Mindestversicherungssumme von ebenfalls 2,5 Mio. EUR vorsieht. Steuerberatergesellschaften im Sinne des § 49 Abs. 1 StBerG sind – soweit sie nicht als Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung organisiert sind – nach §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 DVStB ohne Rücksicht auf den Angemessenheitsvorbehalt des § 67 Abs. 1 StBerG leidglich zur Unterhaltung einer Mindestversicherungssumme von 250.000 EUR verpflichtet, während alle Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach § 54 Abs. 1 WPO eine Mindestversicherungssumme von 1 Mio. EUR unterhalten müssen.
Rz. 203
Schließen sich nur Steuerberater mit Wirtschaftsprüfern zu einer Berufsausübungsgesellschaft zusammen, schreibt § 44b Abs. 4 WPO vor, dass ihnen auch bei gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme der nach § 54 WPO vorgeschriebene Versicherungsschutz mit einer Mindestversicherungssumme von 1 Mio. EUR für jeden Versicherungsfall uneingeschränkt zur Verfügung steht. Eine Maximierung der Höchstleistung des Versicherers ist – um es an dieser Stelle schon vorwegzunehmen – anders als nach § 67 Abs. 2 StBerG und § 52 Abs. 3 und 4 DVStB bei Gesellschaften mit Wirtschaftsprüfern nicht vorgesehen (vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 WPO i.V.m. § 323 Abs. 2 S. 1 HGB und § 2 Abs. 1 WPBHV).
Rz. 204
Nach dem sog. Prinzip der Meistbelastung müssen aber auch Rechtsanwälte, die eigentlich nur eine Versicherung mit einer Mindestdeckung von 250.000 EUR nach § 51 BRAO unterhalten müssen, eine höhere Versicherungssumme von 1 Mio. EUR mit ihrem Berufshaftpflichtversicherer vereinbaren, wenn sie außerhalb einer regelgerechten Gesellschaftsorganisation nur eine lose, nach außen kundgemachte Kooperation mit Wirtschaftsprüfern anstreben, weil bei einer solchen gemeinsamen Berufsausübung die Vorschriften der Absätze 4 und 5 des § 44b WPO gem. § 44b Abs. 6 WPO entsprechend anzuwenden sind.
(b) Assoziierung mit Freiberuflern von außerhalb des Kreises der sozietätsfähigen Berufe
Rz. 205
Das kaum noch verständliche Substrat aus einem guten Dutzend berufsrechtlicher Vorschriften zur Mindestversicherungssumme für allein drei Berufsgruppen würde wahrscheinlich den Umfang dieses Buches sprengen, wenn man auf eine Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 16.5.2013 zur Unvereinbarkeit der bisherigen Assoziierungsvorgaben des § 59a Abs. 1 BRAO mit Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG blickt. Danach können sich Anwälte entgegen den Vorgaben des § 59a BRAO nämlich auch mit Ärzten und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden.
Rz. 206
Nachdem durch § 59a Abs. 1 BRAO eine beruflichen Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern verboten war, wurde das BVerfG vom BGH mit der Entscheidung vom 16.5.2013 dazu aufgerufen, die Frage zu beantworten, ob § 59a Abs. 1 BRAO in der Fassung vom 12.12.2007 mit Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist. Das BVerfG hat mit Beschl. v. 12.1.2016 festgestellt, dass das Sozietätsverbot in § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO das Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt, soweit es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärztinnen und Ärzten oder mit Apothekerinnen und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt.
Rz. 207
Aufgrund einer Änderung des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Bayern sind zwar die erwähnten dortigen Heilberufsange...