Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 496
Das Gesellschaftsrecht weist eine Vielzahl von Ausnahmen zu der allgemeinen Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB auf, wobei sich der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform aus unterschiedlichen Gründen auch nicht auf eine bestimmte Fristdauer festlegen konnte und der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung – wenn überhaupt – häufig nur rudimentär geregelt ist. Gerade Letzteres birgt ohne eine Kenntnis der einschlägigen Rechtsanwendungspraxis Haftungsgefahren, zumal die Sonderverjährungen nicht auch kenntnisabhängig i.S. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum Schluss eines Kalenderjahres, sondern stichtagsbezogen anlaufen und enden.
a) Einzahlungs- und Einlageverpflichtungen in der GmbH und AG
Rz. 497
Die Klärung und ggf. die Durchsetzung der Erfüllung der Einzahlungs- und Einlageverpflichtungen in der GmbH und der AG ist keineswegs nur für Gesellschaftsrechtler von Bedeutung. Vor allem, aber nicht nur, Anwälten, die im Bereich der Restrukturierungs- und Sanierungsberatung tätig sind, bieten sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit deren Hilfe der notleidenden Gesellschaft Mittel beschafft und so Ansprüche gegen außenstehende Dritte bedient werden können.
Rz. 498
Werden Sacheinlagen bei der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister überbewertet, sodass sie nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils erreichen, hat die Gesellschaft einen Anspruch auf Erstattung der Differenz gegen den Gesellschafter in Geld, der nach § 9b Abs. 2 GmbHG in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister verjährt. Insoweit korrespondiert § 9 GmbHG infolge des am 15.12.2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Anpassung der Verjährungsvorschriften nun mit § 19 GmbHG: Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG).
Rz. 499
Auf die Kenntnis von derartigen Ansprüchen kommt es bei diesen Verjährungsfristen nicht an, weil insoweit nicht die dreijährige Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB gilt und nach § 200 S. 1 letzter Hs. BGB ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist. § 19 Abs. 6 S. 2 GmbHG verschiebt diesen Verjährungsbeginn in einer nicht immer berücksichtigten Weise zugunsten von Insolvenzverwaltern. Wird nämlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein.
Rz. 500
Praxistipp
Sowohl bei der Gesamt- als auch der Einzelzwangsvollstreckung kann eine bereits verjährte Einlageforderung unter Umständen durch Anfechtung wieder revitalisiert werden, weil auch die unterbliebene rechtzeitige Geltendmachung einer Einlageforderung durch die Geschäftsführer nach § 129 Abs. 2 InsO, § 1 Abs. 2 AnfG eine anfechtbare Rechtshandlung darstellt. Das im Sinne der § 134 InsO, § 4 AnfG unentgeltliche Verjährenlassen der Einlageforderung kann angefochten werden, wenn es weniger als vier Jahre vor der Anfechtung bzw. Stellung des Insolvenzantrags erfolgt ist und – unter dem Aspekt der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, § 3 AnfG – sogar bis zu zehn Jahre zurückliegende Vorgänge erfassen. Wegen Verjährenlassens der Einlageforderung kommt überdies eine Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG in Betracht, die wiederum innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Verjährung der Einlageforderung nach § 43 Abs. 4 GmbHG verjährt. Anders gewendet kann also über den Umweg der Geschäftsführerhaftung unter Umständen auch noch bis zu 15 Jahre nach Entstehen der Einlageforderung diese zur Masse der Gesellschaft gezogen werden.
Rz. 501
Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft nach § 9a Abs. 1 GmbHG als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. Diese Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a GmbHG verjähren nach § 9b Abs. 2 GmbHG in fünf Jahren, wobei die Verjährung entweder mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung beginnt.
Rz. 502
Im Fall der Kaduzierung nach § 21 GmbHG kann für nicht erfüllte Einlageverpflichtungen des ausgeschlossenen Gesellschafters auch eine Haftung des letzten und jedes früheren Rechtsvorgängers des Ausgeschlossenen, der im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, in Betracht kommen. Hierbei sind mehrere unterschiedliche Fristen zu beachten, damit die Ansprüche nicht verloren gehen:
Rz. 503
Nach § 22 Abs. 3 GmbHG ist die Haftung des Rechtsvorgängers auf die innerhalb der Frist von fünf Jahren auf die Einlageverpflichtung eingeforderten Leistungen beschränkt. Die Frist des § 22 Abs. 3 GmbHG beginnt mit dem Tag, ab welchem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, also nach § 16...