Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 403
Zu nennen ist des Weiteren die Entscheidung des BGH vom 28.10.2015, mit der er abweichend von der bisherigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Beginn der 6-monatigen Nachlauffrist nach § 204 Abs. 2 BGB nicht den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einstellungsverfügung an den Gläubiger, sondern den der Veranlassung der Bekanntgabe des Güteverfahrens als maßgeblich bezeichnet hat.
Rz. 404
Dabei hat sich der IV Zivilsenat des BGH in dieser Entscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit analog § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB für "die Anknüpfung an die aktenmäßig nachprüfbare Veranlassung der Bekanntgabe" der Beendigung des Güteverfahrens durch die Gütestelle ausgesprochen und seine Abweichung von der früheren Rechtsprechung des BGH damit begründet, dass jene Feststellungen nicht tragend gewesen seien. Ausschlagend war für den IV. Zivilsenat des BGH, dass eine förmliche Zustellung für das Güteverfahren nicht vorgeschrieben sei und der Zugang der Beendigungsmitteilung im Bestreitensfalle nicht nachgewiesen werden könne; der Antragsteller könne nach dem Zugang der Mitteilung, die "in der weitaus überwiegend Mehrzahl der Fälle binnen kurzer Frist erfolgen wird", durch Rückfrage "den maßgeblichen Zeitpunkt sodann bei der Gütestelle in Erfahrung bringen".
Rz. 405
Anwälte, die für Mandanten Güteverfahren betreiben, dürfen demnach nicht mehr ihre Fristberechnung am Datum des Zugangs der Mitteilung der Verfahrensbeendigung in ihrer Kanzlei ausrichten, sondern müssen dann bei der Gütestelle Rückfrage halten, wann dort die Bekanntgabe veranlasst wurde. Von dem aus Gründen des Pragmatismus naheliegenden Griff zum Telefonhörer, um fernmündlich bei der Gütestelle den Zeitpunkt der Bekanntgabeveranlassung in Erfahrung zu bringen, ist aus Nachweisgründen abzuraten. Empfohlen werden kann nur, dass um schriftliche Mitteilung des maßgeblichen Zeitpunkts gebeten wird. Aus Vereinfachungsgründen bietet sich dabei an, diese Bitte schon mit dem Güteantrag zu verbinden, der sich Güterichter wohl kaum verschließen dürften.
Rz. 406
Eine weitere Unsicherheit bringt das Urteil des IV. Zivilsenats des BGH vom 28.10.2015 mit sich, weil dort nur unbestimmt von "Veranlassung der Bekanntgabe" bzw. "maßgeblichen Zeitpunkt" die Rede ist. Demgegenüber hatte der VII. Zivilsenat des BGH mit seinem in BGHZ veröffentlichten Leiturteil vom 20.2.1997 betont, dass
Zitat
"im Interesse der Rechtssicherheit auf die nach außen erkennbaren Umstände des Verfahrensstillstandes im Verantwortungsbereich der Parteien abzustellen [ist] (st. Rspr. des BGH). Dies setzt voraus, daß die Partei, die die Verjährung erneut unterbrechen will, die letzte Prozeßhandlung des Gerichts und damit die Notwendigkeit kennt, den Prozeß weiterzubetreiben".
Rz. 407
Der erkennende VII. Zivilsenat des BGH hatte in einem Folgeurteil vom 28.2.2002 zu einem Verfahren der gütlichen Streitbeilegung vor einer VOB-Gütestelle mit den Worten:
Zitat
"dies wurde mit Schreiben des Vorsitzenden vom 5.9.1997, eingegangen bei der Firma F. am 10.9.1997, abgelehnt. […] Stillhalteabkommen für die Zeit vom 11.11.1996 bis zum 10.9.1997. Die strittigen Positionen sollten, um möglichst Zeit und Geld zu sparen, für beide Seiten verbindlich bis zum Abschluß des Schlichtungsverfahrens einer gerichtlichen Auseinandersetzung entzogen werden. Die Verjährung war für diesen Zeitraum gehemmt (§§ 202 Abs. 1, 205 BGB)".
Es wurde ebenfalls ausgeführt, dass es auf den Zugang der Bekanntgabemitteilung bei der das Verfahren betreibenden Partei ankommt.
Rz. 408
Während nach der Judikatur des VII. Zivilsenat des BGH jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Parteien durch einen einfachen Blick auf den Eingangsstempel der Beginn der Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 BGB nachgeprüft werden könnte, ist eine solche einfache Feststellung bei der vom IV. Zivilsenats des BGH gemutmaßten aktenmäßigen Nachprüfbarkeit der Bekanntgabeveranlassung mangels Bestimmtheit dieses Merkmals nicht möglich. Denn die "Bekanntgabeveranlassung" im Sinne der aktuellen Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des BGH vom 28.10.2015 kann – auch dies zeigt die Leitentscheidung des BGH vom 20.2.1997 schon auf – etwa von der Verfügung des Güterichters über das Diktat oder dessen finaler Korrektur und Unterschrift eines Bekanntgabeschreibens bis hin zur Kuvertierung und Frankierung mit anschließendem Einwurf in den Briefkasten reichen.
Rz. 409
Für Letzteres, nämlich "die Aufgabe zur Post", spricht sich Riehm aus. In eine ähnliche Richtung geht wohl die Urteilsanmerkung von Althammer/Lohr, wonach "die Belastung des Güteantragstellers mit der Postlaufzeit […] nicht übermäßig groß ist“, wenngleich mit der Postlaufzeit auch die Spanne zwischen Anbringung des sog., mit Datum versehenen Briefmarkenstempels und dem Zugang des Adressaten gemeint sein könnte. Andererseits spricht der Begriff der Veranlassung dafür, dass derartige Zwischenschritte in Erledigung der vom Güterichter veranlassten Bekanntgabe der Verfahrensbeendigung ...