Rz. 251

Grundlegend für einen möglichst haftungsfreien Kanzleibetrieb ist eine ordentliche Büro- und Mitarbeiterorganisation.

 

Rz. 252

Zitat

"Keine Fehlerkultur ohne Fehlerstrategie. Bevor es um den Umgang mit einem Fehler geht, müssen zwei Dinge geklärt sein: Darf ein Fehler überhaupt passieren? Und sodann: Wurde alles unternommen, um Fehler zu vermeiden? Gibt es Regeln und Abläufe, die sicherstellen, dass Fehler nach menschlichem Ermessen nicht stattfinden?"

 

Rz. 253

Mit den vorstehenden Ausführungen und rhetorischen Fragen in seinem Beitrag für das Einspruch-Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18.1.2018 machte Hartung anschaulich, wie wichtig das Thema Büroorganisation im Kontext mit der Berufshaftung von Anwälten ist.

 

Rz. 254

Dieser Umstand wird von Berufsanfängern häufig unterschätzt, weil man den sog. Lawineneffekt nicht berücksichtigt: Kann man vielleicht noch eine Hand voll an Mandaten ohne besondere Vorkehrungen bearbeiten, ist dies bei einem Dutzend Aufträgen aufgrund der damit verbundenen Fülle an Papier, Fristen und zu erledigenden Aufgaben kaum noch möglich. Daneben fehlt es Anwälten und Kanzleien bisweilen "an den Systemen und Abläufen, um Fehler zu vermeiden“.[200]"

 

Rz. 255

Richtschnur für eine ordentliche Büroorganisation sind zuvorderst die berufsrechtlichen Vorschriften in §§ 5, 11 BORA und §§ 43 ff. BRAO. Demnach ist der Rechtsanwalt verpflichtet, das Mandat in angemessener Zeit zu bearbeiten, Fremdgelder sofort weiterzuleiten und Anfragen des Mandanten unverzüglich zu beantworten. Die Anlage von Handakten soll ein geordnetes Tätigkeitsbild liefern und der Einhaltung von Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten dienen.

 

Rz. 256

Dazu muss der Anwalt die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorhalten, um vor allem auch die notwendige Delegation nicht anwaltlicher Aufgaben vornehmen zu können. Insbesondere zur effektiven Wahrung von Fristen sollte in einem schriftlich verfassten Kanzleimanual oder Organisationsbuch in Anlehnung an die in der Berufsausbildung den Rechtsanwaltsfachangestellten vermittelten und delegationsfähigen Aufgaben nach § 4 Abs. 2 und 3 ReNoPatAusbV das Vorgehen bei der

Anlage von Akten in Digital- und Papierform,
Behandlung von Fremdgeldern und Anderkonten,
Fristenkontrolle,
Kostenfestsetzung und -ausgleichung,
Nutzung von Kommunikationsmittel mit Rücksicht auf Formerfordernisse,
Posteingangs-, Postausgangs- und Postzugangsbehandlung,
Vergütungsabrechnung,
Wahrung von Aufklärungspflichten gegenüber den Mandanten,
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

geregelt sein.

 

Rz. 257

Eine effektive Fristenkontrolle setzt bei der Behandlung von Posteingängen ein und endet erst mit der Überwachung eines erfolgreichen Postausgangs sowie Postzugangs beim Adressaten.

 

Rz. 258

Jedenfalls bei Post, die via Einwurf in den Briefkosten oder durch Boten und Briefträgern zugeht, ist diese nach Öffnen mit einem tagesaktuellen Eingangsstempel zu versehen und etwaige mit der Post gesetzte Fristen und Termine sofort in den in Digital- und/oder Papierform geführten Fristenkalender einzutragen.

 

Rz. 259

Wird diese Arbeit delegiert, ist insbesondere bei Personal mit wenig Berufserfahrung und Bewährung zu veranlassen, dass die Fristen und Termine mit Vorfristen auch auf dem Schriftstück notiert und von dem betreffenden Mitarbeiter mit seinem Kürzel versehen werden und der Posteingang dann dem zuständigen juristischen Mitarbeiter zur abschließenden Fristenkontrolle und zur weiteren Bearbeitung vorgelegt wird.

 

Rz. 260

Zur laufenden Kontrolle empfiehlt sich, sich den Fristen- und Terminkalender täglich zu einem festen Zeitpunkt möglichst am Morgen auf anstehende Termine und noch zu erledigende Fristen durchzusehen, und zwar durch Anwalt und Assistenten gemeinsam, um so den Tagesablauf festzulegen. Bei Fristsachen, die am selben Tag ablaufen, ist darauf hinzuwirken, dass möglichst vor "Geschäftsschluss" eine Übersendung an Behörden, Gerichte oder Verfahrensbeteiligte erfolgt.

 

Rz. 261

Denn es passiert immer noch, dass technische Probleme bei der Übermittlung auftreten, und sei es nur der unaufmerksame Justizwachtmeister, der es vergessen hat, in das zentrale Faxgerät eines Gerichts ausreichend Papier einzulegen. Ist man mit einer solchen Situation konfrontiert und auch ein Ausweichfaxgerät nicht bekannt, kann über Eilbotendienste noch ein fristgerechter Postzugang hergestellt werden, wenn man sich zeitlich noch in den Nachmittagsstunden eines Tages bewegt.

 

Rz. 262

Es empfiehlt sich generell, Schriftsätze vorab an Gerichte usw. zu faxen, um einen Zugangsnachweis zu haben. Dabei hat man den Sendebericht sorgfältig zu überprüfen und vor allem anhand möglichster aktueller Informationen zum Empfänger etwa auf Poststücken oder in Internetpräsenzen sicherzustellen, ob die richtige Faxnummer gewählt wurde und alle Seiten durchgegangen und angekommen sind. Den Faxbericht sollte man als Nachweis mit der Schriftsatzkopie in der Handakte abheften.

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