Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags. Fristüberwachung. Büroorganisation

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist ist nicht ausreichend begründet, wenn die Ausführungen nicht erkennen lassen, ob nur ein Mitarbeiter für die Berechnung und Überwachung der Fristen zuständig ist oder aber mehrere Mitarbeiter (d.h. für jeden Sachbearbeiter ein Mitarbeiter) hierzu beauftragt sind, und wenn darüber hinaus auch die Person, der der für die Fristversäumnis entscheidende Fehler unterlaufen ist, nicht namentlich benannt wird.

2. Es bleibt offen, ob es den Grundsätzen ordnungsgemäßer Büroorganisation entspricht, wenn die Fristberechnung durch Angestellte vor (anstatt nach) Eintragung in das Fristenbuch überprüft wird.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1-2, § 47 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielt als EDV-Berater Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

Der Beklagte (Finanzamt) führte bei den Klägern im Kalenderjahr 2002 eine Außenprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume (Streitjahre) durch. Einzelne Feststellungen, die der Außenprüfer im Zuge der Prüfung getroffen und die das Finanzamt in den unter dem gemäß §§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Steuerbescheiden für die Streitjahre übernommen hatte, sind im vorliegenden Verfahren streitig.

Ein gegen die Änderungsbescheide vom 4. November 2002 eingelegter Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2004 wurde vom Finanzamt am 30. Januar 2004 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Die hiergegen gerichtete Klage ging beim Finanzgericht München per Telefax am 11. März 2004 ein.

Mit Erhebung der Klage beantragten die Kläger zugleich hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die sie wie folgt begründeten: Die Einspruchsentscheidung sei dem Bevollmächtigten der Kläger am 2. Februar 2004 zugestellt worden. Zur Wahrung der Klagefrist werde bei dem Bevollmächtigen ein Fristenkontrollbuch geführt. Hierbei werde der Fristablauf jeder einzelnen Rechtsbehelfsfrist eingetragen. Eine notierte Frist werde erst dann gelöscht, wenn ein Schriftstück unter Wahrung der Frist zur Post gegeben werde. Dies werde dann auch im Postausgangsbuch vermerkt. Die Fristenberechnung und ihre Eintragung erfolgten unmittelbar nach Posteingang. Die Führung des Fristenkontrollbuchs sei einer fachlich ausgebildeten und äußerst zuverlässigen Bürokraft anvertraut. Anträge auf Wiedereinsetzung und andere Anträge auf Fristverlängerungen hätten daher bis dato nicht gestellt müssen. Die Überwachung der Tätigkeiten der mit der Fristenkontrolle beauftragten Mitarbeiter habe seitens der steuerlichen Berater nie zu irgendwelchen Beanstandungen geführt. Im Streitfall sei jedoch als Fristende anstatt dem 2. März 2004 der 12. März 2004 eingetragen worden. Mit Wiedervorlage der Akte am 11. März 2004 sei diese Fehler entdeckt worden. Sodann sei unverzüglich Klage erhoben und Wiedereinsetzung beantragt worden. Diese sei auch zu gewähren, da das Steuerbüro ordnungsgemäß organisiert sei und die Tätigkeit der mit Fristsachen beauftragten Mitarbeiter überwacht werde, diese Mitarbeiter gut ausgebildet seien und im vorliegenden Fall lediglich ein Tippfehler –d.h. ein Büroversehen– vorgelegen habe.

In einem weiteren, nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist bei Gericht eingegangenen Schreiben vom 29. April 2004 trägt der Prozessbevollmächtigte mit Blick auf seinen Wiedereinsetzungsantrag ergänzend wie folgt vor: Sowohl der Postausgang als auch der Posteingang würden in der Kanzlei täglich mit Hilfe des Datev-Programms „Post und Dokumente” erfasst. Dabei würden vorab Fristen durch die zuständige Mitarbeiterin eingetragen und in das Programm „Fristen und Termine” übertragen. Dem zuständigen Sachbearbeiter werde die notierte Frist zusammen mit der Handakte, in welcher der Posteingang abgelegt werde, in seinem Postfach vorgelegt. Mit Bearbeitung der Akte würde die notierte Frist überprüft und dem Mitarbeiter bestätigt oder geändert. Eilige Fristen würden sofort vorgelegt. Die fristgebundenen Akten würden dann dem Sachbearbeiter vor Fristablauf wieder vorgelegt. Hierzu werde über das Programm „Fristen und Termine” täglich eine Sofortauskunft abgefragt, nach der die fristgebundenen Akten herausgesucht würden. Die für den Streitfall tätige Mitarbeiterin verfüge über langjährige Büroerfahrung und werde speziell im Bereich der Büroverwaltung und Organisation ständig zu Fortbildungsmaßnahmen entsandt. Die Mitarbeiterin sei seit dem Jahr 2000 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten beschäftigt und erledige alle Aufgaben äußerst zuverlässig und ohne jegliche Beanstandungen. In den regelmäßig durchgeführten Kanzleibesprechungen werde immer wieder auf das Erfordernis der Fristenkontrolle hingewi...

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