Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlenden Angaben zur Organisation der Fristenkontrolle
Leitsatz (amtlich)
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist kommt dann nicht in Betracht, wenn der Bevollmächtigte keinerlei Angaben zur Organisation der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei macht.
Normenkette
AO § 355 Abs. 1; FGO § 56
Tatbestand
Streitig ist in formeller Hinsicht, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren ist.
Der Kläger betrieb im Streitjahr einen Kiosk. Nach Durchführung einer Außenprüfung erließ der Beklagte am 01.12.2003 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2000 und 2001 sowie einen erstmaligen Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2001. Hiergegen richtete sich der Einspruch des Klägers vom 05.12.2003, mit dem er beanstandete, dass die Festsetzung der Steuer nicht dem Ergebnis der Schlussbesprechung entspreche. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.03.2004, zur Post gegeben am 08.03.2004, wies der Beklagte den Einspruch zurück, weil er nicht begründet worden sei. Mit dem Absetzen und Versenden der Einspruchsentscheidung überschnitt sich ein Schriftsatz vom 07.04.2004, am selben Tage beim Beklagten eingegangen, mit dem sich ein neuer Berater - Steuerberater W - legitimierte und um Überprüfung der Höhe der Hinzuschätzung bat. Ausweislich eines handschriftlichen Vermerkes nahm der Sachbearbeiter K daraufhin am 16.04.2004 Rücksprache mit Steuerberater W, der ankündigte, die Sache überprüfen und sich melden zu wollen, da ihm nicht bekannt sei, dass zwischenzeitlich eine Einspruchsentscheidung ergangen sei.
Mit Schriftsatz vom 29.04.2004, am selben Tage bei Gericht eingegangen, beantragte die Steuerberatungskanzlei L für den Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagfrist. Die Einspruchsentscheidung sei am 09.03.2004 in der Praxis eingegangen und der zuständigen Sachbearbeiterin Frau L übergeben worden. Diese habe es versäumt, das Schriftstück an die für das Fristenkontrollbuch zuständige Sachbearbeiterin Frau S weiterzuleiten, um die Frist eintragen zu lassen. Am 19.04.2004 habe Steuerberater W in der Kanzlei angerufen und auf die Versäumung der Frist aufmerksam gemacht. Da es sich um ein Büroversehen gehandelt habe, seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung erfüllt. Mit weiterem Schriftsatz vom 25.05.2004 legte die Kanzlei eine eidesstattliche Versicherung der Sachbearbeiterin Frau L vor, mit der diese erklärte, dass sie es versäumt habe, die Einspruchsentscheidung an die für das Führen des Fristenkontrollbuches zuständige Sachbearbeiterin Frau S weiterzureichen und dass durch dieses, ihr Verschulden, die Klagefrist versäumt worden sei (ursprüngliche Klage 6 K 141/04).
Mit bei Gericht am 05.05.2004 eingegangenem Schriftsatz hat Steuerberater W Klage erhoben (6 K 153/04) und in formeller Hinsicht beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist sowie des weiteren Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren. In der Sache wendet sich der Kläger gegen die Hinzuschätzung in Höhe des festgestellten negativen Kassenbestandes von 87.650 DM. Diese Hinzuschätzung entspreche nicht dem Gesprächsergebnis der Schlussbesprechung während der Außenprüfung und sei unangemessen hoch. Unter Anwendung eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 22 % sei der Gewinn niedriger zu ermitteln.
Bezüglich der Wiedereinsetzung tragen die Bevollmächtigten vor, die Klagefrist sei am 08.04.2004 abgelaufen. Der Fristablauf sei am 19.04.2004 bemerkt worden, nachdem er, Steuerberater W, kurzfristig mandatiert worden sei und erstmals die relevanten Unterlagen erhalten und sich bei der Steuerberatungskanzlei L gemeldet habe. Die Klage sei am 03.05.2004 innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gefertigt und von ihm, Steuerberater W, der angestellten Rechtsanwältin A mit dem klaren Auftrag übergeben worden, die Klage wegen des Fristablaufs noch am selben Tage persönlich in den fristwahrenden Briefkasten des Finanzgerichts Hamburg einzuwerfen. Auf die am selben Tag ablaufende Frist zur Einreichung der Klage habe er die Rechtsanwältin ausdrücklich hingewiesen. Die Angestellte habe die Klageschrift in ihrer Tasche mitgenommen, dann aber den Einwurf beim Finanzgericht vergessen, nachdem sie auf dem Weg aus dem Büro zunächst einige Einkäufe erledigt habe. Am folgenden Tag, dem 04.05.2004, sei der Fristablauf aufgefallen, nachdem er, Steuerberater W, die Angestellte nach dem Einwurf der Klage beim Finanzgericht befragt habe. Der Umschlag mit dem Klagschriftsatz habe sich nach wie vor in der Tasche der Angestellten befunden. Als Rechtsanwältin mit mehrjähriger Berufserfahrung seien der Angestellten die Voraussetzungen der Fristwahrung und die Folgen ihrer Säumnis bestens bekannt gewesen. Bei der Angestellten habe es sich um eine geschulte und außerdem zuverlässige Mitarbeiteri...