Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 686
Gem. § 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO soll in der Klageschrift unter anderem angegeben werden, ob vor der Klageerhebung eine Mediation versucht wurde oder ob ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung vorausgegangen ist. Außerdem soll erklärt werden, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Über den Einfluss auf die gerichtliche Ermessensausübung hinaus entfaltet die Vorschrift eine verbindliche Wirkung im vorgerichtlichen Raum. Der Rechtsanwalt hat nicht nur über die Möglichkeit einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung zu beraten, sondern auch über die im konkreten Fall in Betracht kommenden Formen sowie deren Modalitäten. Verletzt der Anwalt diese Pflicht, muss er ggf. haften.
Rz. 687
Das Güterichterverfahren ist Bestandteil des Prozesses und löst daher keine zusätzliche Gerichtsgebühr aus. Der Rechtsanwalt hat daher darauf hinzuwirken, denn die gerichtliche Entscheidung ist nicht bei jedem Rechtsstreit für die Parteien die beste Lösung. Ein durch mehrere Instanzen geführter Rechtsstreit kostet Zeit und Geld. Der Ausgang eines Rechtsstreits lässt sich außerdem nicht in allen Fällen zuverlässig abschätzen. Eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits bringt deshalb häufig das beste Ergebnis für die Beteiligten (vgl. Rdn 382 ff.).
Rz. 688
Durch die Verweisung an den Güterichter wird nur ein bestimmter Verfahrensabschnitt einem anderen Richter übertragen, kraft unmittelbarer oder jedenfalls entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 RVG ist daher das Verfahren vor dem Güterichter keine eigene Angelegenheit. Dementsprechend fällt für das Verfahren vor dem Güterichter keine eigene Verfahrensgebühr an, wenn ein Rechtsanwalt seinen Mandanten sowohl im regulären Prozess als auch in dem zu diesem gehörenden Verfahren vor dem Güterichter vertritt. Vielmehr ist ein mit der Überweisung an den Güterichter verbundener zusätzlicher Aufwand bei der Ausfüllung der für die Gebührenbestimmung maßgeblichen Kriterien aus § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen. Die mit der Einleitung eines Güteverfahrens verbundene Hemmungswirkung erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß erstreckt sich, wenn der Streitgegenstand der Schadensersatzklage eines Anlegers hinreichend individualisiert ist, die Hemmungswirkung auf alle im Rahmen der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler und nicht nur auf solche Pflichtverletzungen, die der Anleger zur Begründung seines Schadensersatzbegehrens im Güteantrag aufgeführt hat.
Rz. 689
Der geltend gemachte prozessuale Anspruch muss, damit die Hemmung der Verjährung eintritt, im Güteantrag gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB hinreichend Individualisiert werden. Beispielsweise in Anlageberatungsfällen hat der Güteantrag regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen, auch ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist.
Rz. 690
Negativbeispiel
für unzureichenden Güteantrag nach einem BGH-Urt. v. 15.6.2015:
"Ich/wir mache/n Ansprüche auf Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung geltend. Hintergrund ist die Beteiligung am Immobilienfonds F. Beteiligungsgesellschaft 68 KG (F.-Fonds Nr. 68). Ich/wir erwarb/en Anteile an diesem geschlossenen Immobilienfonds. Ich/wir habe/n Anspruch dahin, so gestellt zu werden, als hätte/n ich/wir die Beteiligung nie getätigt. Die Antragsgegnerin war bei dieser Beteiligung als Anlagevermittler und -berater tätig. Die Beratung wurde von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin vorgenommen."
Mir/uns wurde der oben genannte Immobilienfonds vorgestellt und mir/uns suggeriert, es handele sich um eine sichere und gewinnbringende Anlage. Nicht erläutert wurden die Risiken und Nachteile einer Beteiligung an diesem Immobilienfonds. Auch die Verwendung des Prospektes im Beratungsgespräch führt nicht zu einer umfassenden Aufklärung der Antragstellerpartei, da der Prospekt selbst keine ausreichenden Risikohinweise enthält.
Der Emissionsprospekt zur Fondsbeteiligung ist in mehreren Punkten fehlerhaft und es fehlt die Aufklärung über die Risiken der Fondskonzeption. Die Antragsgegnerin haftet auch für die Prospektfehler auf Schadensersatz, da sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat.
Aus diesen Beratungsfehlern resultieren die Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin aus dem mit mir/uns geschlossenen Anlageberatungsvertrag.
Darüber hinaus wurde/n ich/wir von der Antragsgegnerin auch nicht darüber aufgeklärt, ob und in welcher Höhe diese oder der Berater Provisionen erhalten hat. Der AWD-Konzern hat für die Vermittlung von F.-Gesellschaftsbeteiligungen Provisionen von über 15 % von der F.-Gruppe erhalten. Im Beratungsgespräch ist das Thema Provision nicht angesprochen worde...