Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 696
Der Rechtsanwalt muss die für das Begehren seines Mandanten entsprechende Klageart erheben. Er muss die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandanten – auf der Grundlage der bis zum Prüfungszeitpunkt ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung – umfassend prüfen und den Mandanten hierüber belehren. Die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken muss der Rechtsanwalt nicht nur benennen, sondern auch deren ungefähres Ausmaß abschätzen.
Rz. 697
Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen und darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. Auch wenn der Mandant gegenüber dem Anwalt schon bei Abschluss des Anwaltsvertrags die Weisung erteilt, eine Klage anhängig zu machen, muss der Anwalt prüfen, ob dem Mandanten durch das Befolgen dieser Weisung Nachteile drohen. Der Umstand, dass in einem anderweitigen Mandatsverhältnis mit dem Rechtsanwalt bereits eine rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage stattgefunden hat, lässt die Prüfungspflicht aus dem mit dem Mandanten bestehenden Anwaltsvertrag nicht entfallen.
Rz. 698
Die anwaltsvertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts werden nicht dadurch geschmälert, dass mit derselben Angelegenheit noch ein weiterer Rechtsanwalt betraut worden ist. Ebenso wenig wird die Prüfungspflicht eines Rechtsanwalts dadurch eingeschränkt, dass er die zu klärenden Rechtsfragen bereits in einem anderen Mandatsverhältnis untersucht hat. Der Anwalt ist der Pflicht zur Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage auch nicht deshalb enthoben, weil die Geschäftsführer der Mandanten-Gesellschaft Rechtsanwälte sind. Die rechtliche Bearbeitung des ihm anvertrauten Falles obliegt dem Rechtsanwalt auch im Verhältnis zu einem rechtskundigen Mandanten. Der anwaltsvertragliche Anspruch des Mandanten auf umfassende Beratung wird nicht dadurch eingeschränkt, dass der Mandant die gerade einem Dritten in Auftrag gegebene rechtliche Prüfung auch selbst hätte vornehmen können.
Rz. 699
Zu den Pflichten eines Rechtsanwaltes gehört es, Klageanträge so zu formulieren und zu stellen, dass damit das klägerische Rechtsschutzziel erreicht, das klägerische Interesse im Falle des Obsiegens durchgesetzt werden kann.
Rz. 700
Beispiel
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Positive Feststellungsklage: Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall mit dem Versicherungsnehmer des Beklagten am xxx in xxx entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist. |
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Positive Feststellungsklage für den Fall der Haftung eines angehörigen Schädigers und eines Fremdschädigers: Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an den Kläger Schadensersatz für sämtliche weiteren zukünftigen materiellen Schäden, die aus dem Verkehrsunfall … resultieren, zu leisten, soweit die Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind oder übergehen und soweit der Kläger von einem Sozialversicherungsträger keine kongruenten Leistungen erhalten oder noch zu beanstanden hat. Beachte: Dieser Antrag bezieht sich ausschließlich auf materielle Schäden. Der Feststellungsantrag für immaterielle Schäden – für den die Entscheidung mangels Kongruenz nicht gelten würde – ist zusätzlich zu stellen. |
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Negative Feststellungsklage: Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass dem Beklagten ein Anspruch auf xxx nicht zusteht. |
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Klage mit unbeziffertem Klageantrag (z.B. Schmerzensgeld): Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld – mindestens jedoch xxx EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
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Klage auf Vornahme einer Handlung: Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, den am Haus des Klägers angebrachte Befestigung des Sonnensegels des Beklagten zu entfernen. |
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Klage auf Unterlassen einer Handlung: Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag,
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den Beklagten zu verurteilen es zu unterlassen in der von ihm angemieteten Wohnung ein Reisebüro zu betreiben |
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den Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 100.000 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Einzelfall anzudrohen. |
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Klage auf Herausgabe: Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage mit dem Antrag,
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den Beklagten zu verurteilen, den Pkw xxx mit dem amtlichen Kennzeichen xxx, Fahrgestell-Nr.: xxx nebst sämtlichen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben. |
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dem Beklagten zur Herausgabe eine Frist von 14 Tagen nach Rechtskraft des Urteils zu setzen. |
3. |
den Beklagt... | |