Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 756
Wenn die Autorenschaft eines anwaltlichen Schriftsatzes aus den übrigen Umständen gesichert ist, kann bei den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen ein großzügiger Maßstab angelegt werden.
Rz. 757
Eine Paraphe oder ein Namenskürzel bei einem anwaltlichen Empfangsbekenntnis, bspw. bei einer Urteilszustellung ist dann wirksam, wenn die Paraphe oder das Namenskürzel im Schriftbild einen individuellen Charakter ausweist, worauf ohne Schwierigkeit auf den Unterzeichner zu schließen ist. Als Unterschrift anzuerkennen ist nämlich ein Schriftzug, der individuellen Charakter aufweist und es einem Dritten, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ermöglicht, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauszulesen; unter diesen Voraussetzungen ist es unschädlich, wenn der Schriftzug nur schwer lesbar ist und Vereinfachungen aufweist. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob der Unterzeichnende auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt.
Rz. 758
Auch ein starker Abschleifungsprozess, wie bspw. eine Schlangenlinie als Unterschrift, an einer anwaltlichen Unterschrift schließt den vom Urheber gewollten Zweck der Individualisierung und Legitimierung der geleisteten Unterschrift nicht aus. So muss eine Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grds. von einem bei dem Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein, gem. §§ 130 Nr. 6, 519 Abs. 4 ZPO. Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift verlangt einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug, der individuelle, charakteristische Merkmale, die die Nachahmung erschweren, aufweist, sich ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein- und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen.
Rz. 759
Ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug ist außerdem als Unterschrift anzuerkennen, wenn der Schriftzug individuelle und charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt. Ist ein Schriftzug so oder geringfügig abweichend allgemein von den Gerichten über längere Zeit als in sehr verkürzter Weise geleistete Unterschrift unbeanstandet geblieben, darf der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass die Unterschrift den in der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen entspricht. Will das Gericht die über längere Zeit nicht beanstandete Form der Unterschrift nicht mehr hinnehmen, gebietet der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz über den Anspruch auf faire Verfahrensgestaltung hinaus gegenüber dem Rechtsanwalt eine Vorwarnung.
Rz. 760
Grds. soll die Unterschrift die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet wird. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein müssen.
Rz. 761
Bei einem Doppelnamen genügt die Unterzeichnung mit einem Namen; der Vorname oder der weitere Teil des Doppelnamens muss nicht beigefügt werden, vorausgesetzt, die Unterschrift kann auch so der bestimmten Person zugeordnet werden.
Rz. 762
Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift entfällt nicht dadurch, dass die Berufung – was zulässig ist – per Telefax eingelegt und begründet wird. In diesem Fall genügt zwar die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie, jedoch muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln. Die Wirksamkeit der Prozesshandlung setzt somit voraus, dass die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden ist und dessen Unterschrift auf der Kopie wiedergegeben wird. Die aus einem Blankoexemplar ausgeschnittene und auf die Telefax-Vorlage eines bestimmenden Schriftsatzes bspw. einer Berufungsschrift und Berufungsbegründung geklebte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten einer Partei erfüllt nicht die an eine eigenhändige Unter...