Rz. 770

Der Rechtsanwalt muss den Mandanten vor Abschluss eines Vergleichs über diejenigen Umstände aufklären, die für die Entscheidung des Mandanten wesentlich sind. Dazu gehört eine Erläuterung, von welchen Umständen eine gerichtliche Entscheidung bei Fortsetzung des Prozesses voraussichtlich abhängen würde, eine Abschätzung der Prozessrisiken und eine Erläuterung der voraussichtlichen Kosten bei einer Fortsetzung des Prozesses. Hat der Anwalt den Mandanten vor Abschluss eines Vergleichs unzureichend beraten, kommt ein Schadensersatzanspruch des Mandanten nur dann in Betracht, wenn er bei korrekter Aufklärung von einem Vergleich abgesehen und den Prozess fortgesetzt hätte, und wenn er im Prozess voraussichtlich obsiegt hätte. Die Beweislast dafür, dass er bei vollständiger Aufklärung den Vergleich nicht abgeschlossen hätte, obliegt dem Mandanten. Eine Beweiserleichterung (Anscheinsbeweis oder Umkehrung der Beweislast) scheidet aus, wenn bei korrekter Beratung mehrere objektiv vernünftige Handlungsalternativen für den Mandanten bestanden hätten.[607]

 

Rz. 771

Ein Rechtsanwalt verhält sich mit der Geltendmachung offensichtlich aussichtsloser Rechtspositionen in einem Prozess auch im Hinblick auf einen anzustrebenden Vergleich pflichtwidrig, denn die Geltendmachung offensichtlich aussichtsloser Rechtspositionen ist generell geeignet, die Verhandlungsbereitschaft des Gegenübers spürbar zu verschlechtern und die eigene Verhandlungsposition nachhaltig zu schwächen.[608]

[607] OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.5.2013 – 9 U 33/11 = NJOZ 2013, 1769.

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