Rz. 131
Der Verletzte hat zu beweisen, dass der Schaden durch eine zu der Verrichtung bestellte Person und deren Handlungsfähigkeit zur Zeit des Schadensereignisses widerrechtlich verursacht worden ist (BGH VersR 1978, 1163). Da die Verletzung des Körpers oder die Beschädigung einer Sache die Widerrechtlichkeit der Handlung indiziert, hat der Geschäftsherr den Ausschluss der Widerrechtlichkeit zu beweisen (BGH NJW 1957, 785).
Rz. 132
Der Geschäftsherr muss sich gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB vom durch das Gesetz vermuteten Verschulden exkulpieren. Er kann den Entlastungsbeweis durch folgenden Nachweis führen:
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ordnungsgemäße Auswahl (BGH VersR 1984, 67) |
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ordnungsgemäße Überwachung (BGH VersR 1984, 67) |
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Nichtursächlichkeit der Sorgfaltspflichtverletzung für den Schaden |
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verkehrsgerechtes Verhalten des Verrichtungsgehilfen (BGH VersR 1958, 549). |
Rz. 133
An den Beweis einer ausreichenden Auswahl und Überwachung eines angestellten Kraftfahrers sind im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen zu stellen. Hierzu ist eine fortdauernde, planmäßige, auch unauffällige Überwachung mit unerwarteten Kontrollen erforderlich (OLG Hamm DAR 1998, 392).
Rz. 134
Beispiel
Ein Fahrer eines städtischen Omnibusbetriebes muss stark abbremsen, weil vor ihm ein Pkw, seinen Bus-Sonderfahrstreifen überquerend, in ein Grundstück einbiegt und dabei wegen eines Radfahrers seinerseits abbremsen muss. Ein Businsasse kommt zu Fall und verletzt sich. – Der Fahrer hat sich verkehrsgerecht verhalten: Hätte er nicht gebremst, wäre er mit unabsehbaren Folgen in den abbiegenden Pkw hineingefahren.
Rz. 135
Nach früherem Recht scheiterte beispielsweise eine Schmerzensgeldklage nach § 823 BGB gegen den Omnibusfahrer, weil ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht nachgewiesen werden konnte. Andererseits konnte den auf Zahlung von Schmerzensgeld mitverklagten Halter des Omnibusses als Geschäftsherrn eine Schadensersatzverpflichtung nach § 831 BGB treffen, wenn ihm der Entlastungsbeweis nicht gelang. Durch die Neufassung des § 7 StVG durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz ist dagegen eine Schmerzensgeldklage gegen den Halter – ohne Rücksicht auf seine Stellung als Geschäftsherr – von Erfolg, weil der Halter den Nachweis höherer Gewalt nicht führen kann (§ 7 Abs. 2 StVG).
Rz. 136
Beispiel
Eine Mofafahrerin war von einem sie überholenden Omnibusfahrer angefahren worden, sodass sie stürzte und sich verletzte. Sie nahm mit der Behauptung, der Busfahrer sei unter Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften gefahren, neben diesem auch den Omnibusbetreiber auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch.
Rz. 137
Das OLG Karlsruhe hatte die Klage sowohl gegen den Fahrer als auch gegen den Busbetreiber abgewiesen, da es die Auffassung vertrat, die Geschädigte hätte auch im Rahmen einer Haftung nach § 831 BGB wenigstens nachweisen müssen, dass dem Verrichtungsgehilfen (Fahrer) ein objektiver, wenn auch nicht verschuldeter Fehler, also eine Verkehrswidrigkeit, zur Last falle. Der BGH ist dieser Auffassung des OLG nicht gefolgt und hat seine Beweislastverteilung bekräftigt, wonach den Geschäftsherrn die volle Beweislast für ein verkehrsrichtiges Verhalten seines Fahrers trifft (BGH VersR 1987, 907).
Rz. 138
Beachte
Der BGH stellt an die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB sehr strenge Anforderungen (BGH VersR 2003, 75).
Rz. 139
Die Klage gegen den Fahrer blieb erfolglos, da die Geschädigte dessen Verschulden nicht nachweisen konnte. Der Busbetreiber haftete dagegen als Geschäftsherr nach § 831 BGB (BGH VersR 1987, 907), aber nach der Neufassung des § 7 Abs. 1 StVG auch als Halter auf Schmerzensgeld.
Rz. 140
Beachte
Auch wenn grundsätzlich eine Haftungseinheit zwischen dem nach § 823 BGB haftenden Fahrer und dem nach § 831 BGB haftenden Halter möglich ist, darf dem Fahrer das mitursächliche Verschulden des Halters nicht haftungserhöhend entgegengehalten werden (BGH zfs 1995, 124 ff.).