Rz. 74
Im Bereich von Bushaltestellen existiert eine veränderte Gesetzeslage seit dem 1.8.1995. In § 20 StVO ist geregelt, wie sich der Kraftfahrer im Verhältnis zu Linien- und Schulbussen zu verhalten hat. Darüber hinaus sind darin die Pflichten des Fahrers von Omnibussen geregelt.
Rz. 75
Nach § 20 Abs. 1 StVO darf an Omnibussen des Linienverkehrs, an Straßenbahnen und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224 = grünes "H" auf gelben Grund mit grünem Kreis) halten – auch im Gegenverkehr –, nur vorsichtig vorbeigefahren werden.
Rz. 76
Die Vorschrift des § 20 StVO über "öffentliche Verkehrsmittel" und "Schulbusse" gilt seit dem 1.8.1995 nur noch im Bereich solcher Haltestellen, die mit Zeichen 224, bei Schulbus-Haltestellen daneben mit Zusatzschild "Schulbus" gekennzeichnet sind.
Rz. 77
Nach § 20 Abs. 2 StVO darf, wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen, rechts nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist.
Rz. 78
Der Gesetzgeber hat die vorgeschriebene Geschwindigkeit konkretisiert, indem er ausdrücklich "Schrittgeschwindigkeit" vorschreibt. Darüber hinaus hat er den erhöhten Sorgfaltsmaßstab der oben erwähnten Vorschriften der StVO auch hier übernommen. Nach der Formulierung in § 20 Abs. 2 S. 3 StVO muss der Fahrzeugführer – wenn nötig – warten, wenn Fahrgäste aus einem öffentlichen Verkehrsmittel aussteigen.
Rz. 79
Hierdurch soll jedoch nicht ein Vorrang des Fußgängers gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr begründet werden.
Rz. 80
Gewöhnungsbedürftig ist die Regelung des § 20 Abs. 3 StVO. Danach dürfen Omnibusse des Linienverkehres und gekennzeichnete Schulbusse, die sich einer Haltestelle (Zeichen 224) nähern und Warnblinklicht eingeschaltet haben, nicht mehr überholt werden.
Rz. 81
An welchen Haltestellen Omnibusführer Warnblinklicht einzuschalten haben, ergibt sich aus § 16 Abs. 2 StVO i.V.m. der von den jeweiligen Straßenverkehrsbehörden zu erlassenden Anordnung, die festlegt, an welchen Haltestellen die Omnibusfahrer die Anforderungen des § 16 Abs. 2 StVO erfüllen müssen. Diese Fassung der Vorschrift bringt gegenüber der früheren Rechtslage eine keinesfalls gerechtfertigte Einschränkung des Schutzes der Benutzer von Schulbussen, da nunmehr nicht mehr generell an jeder Schulbushaltestelle das Warnblinklicht eingeschaltet werden muss.
Rz. 82
Der Fahrer eines Linien- oder Schulbusses darf das Warnblinklicht erst dann wieder ausschalten, wenn alle Fahrgäste den Bus verlassen haben und auch keine Fahrgäste mehr im Begriff sind, in den Bus einzusteigen. Er wird also vor dem Hintergrund des Schutzgedankens des § 16 Abs. 2 StVO das Warnblinklicht so lange eingeschaltet lassen können, bis die ausgestiegenen Fahrgäste, die auf die andere Fahrbahnseite gelangen wollen, die Fahrbahn vollständig überquert haben.
Rz. 83
Wenn ein Omnibus an einer gekennzeichneten Haltestelle (Zeichen 224) hält, darf nach § 20 Abs. 4 StVO wiederum nur mit Schrittgeschwindigkeit und solchem Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist.
Rz. 84
Problematisch und praxisrelevant bleibt die Vorschrift des § 20 Abs. 5 StVO (früher § 20 Abs. 2 StVO a.F.). Danach ist Omnibussen des Linienverkehrs und Schulbussen das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten.
Rz. 85
Trotzdem räumt, entgegen der Ansicht vieler Omnibusfahrer, ihnen § 20 Abs. 5 StVO kein Vorfahrtsrecht ein, denn auch hier gilt § 10 StVO, wonach derjenige, der vom Fahrbahnrand anfährt, sich so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Rz. 86
§ 20 Abs. 5 StVO schränkt lediglich den Vorrang des fließenden Verkehrs ein, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Omnibusfahrer seine Anfahrabsicht rechtzeitig und deutlich ankündigt. Auch dann darf der fließende Verkehr durch das Anfahren des Omnibusses aber nicht gefährdet werden (OLG Düsseldorf VersR 1993, 68; BGH NJW 1979, 1894 ff.).