Rz. 1
Die wichtigsten Vorschriften für die Haftung eines Unfallbeteiligten sind – neben den speziellen Haftungstatbeständen des StVG – die Vorschriften der unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB.
1. Voraussetzung
Rz. 2
Voraussetzung einer Haftung aus §§ 823 ff. BGB ist die vom Geschädigten zu beweisende rechtswidrige und schuldhafte Handlung eines anderen, die zu einer Rechtsgutsverletzung des Geschädigten geführt hat.
2. Rechtsfolge
Rz. 3
Rechtsfolge ist dann die Verpflichtung zum Schadensersatz, wobei sich der Umfang grundsätzlich aus §§ 249 ff. BGB ergibt. Diese immer wieder von Versicherern, Gerichten und Rechtsanwälten übersehene Vorschrift lädt dem Schädiger grundsätzlich zunächst die Verpflichtung auf, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution).
Rz. 4
Im Schadensersatzrecht ist dies jedoch unüblich, sodass wesentlich größere Bedeutung dem § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zukommt. Danach ist der Schädiger verpflichtet, den zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlichen Geldbetrag zu erstatten.
Rz. 5
Aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB leitet sich daher auch die Dispositionsfreiheit des Geschädigten ab, allein zu entscheiden, ob er beispielsweise sein unfallbedingt beschädigtes Kraftfahrzeug reparieren lässt oder auf der Basis eines Sachverständigengutachtens den Sachschaden fiktiv erstattet verlangt.
Rz. 6
Entgegen der Auffassung vieler Versicherungssachbearbeiter ist es nach wie vor wegen § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gerade nicht erforderlich, dass eine Reparaturkostenrechnung vorgelegt wird.
Rz. 7
Seit der Neuregelung in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz zum 1.8.2002 ist es allerdings erforderlich, entweder eine Reparaturkostenrechnung oder aber beispielsweise eine Teilebeschaffungsrechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer vorzulegen, wenn neben dem Nettobetrag der Reparaturkosten eines Sachverständigengutachtens auch die Erstattung von Mehrwertsteuerbeträgen verlangt wird.
a) Haftungsumfang
Rz. 8
Der Schädiger hat dem Geschädigten nach § 249 BGB sowohl die unmittelbaren Schäden als auch die Folgeschäden zu ersetzen.
aa) Unmittelbare Schäden und Folgeschäden
Rz. 9
Reparaturkosten für den unfallbeschädigten Pkw (BGH NJW 1976, 1396), die Bergungskosten, die Wertminderung sowie der Wertersatz bei Totalschaden sind z.B. unmittelbare Schäden.
Rz. 10
Sachfolgeschäden sind der Nutzungsausfall, die Mietwagenkosten und die dem Geschädigten entstehenden Rechtsverfolgungskosten, aber auch z.B. der Schaden, der anlässlich der unfallbedingten Kfz-Reparatur durch einen Monteur an dem Fahrzeug fahrlässig verursacht wird.
Rz. 11
Wird ein Unfallverletzter ins Krankenhaus eingeliefert und erleidet er dort durch einen einfachen ärztlichen Behandlungsfehler einen weiteren Gesundheitsschaden, so liegt z.B. ein Personenfolgeschaden vor, den der Schädiger ebenfalls zu ersetzen hat.
Rz. 12
Auch das Abhandenkommen wertvoller Gegenstände aus einem bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeug ist über den Zurechnungszusammenhang dem Unfallschaden zuzurechnen (BGH DAR 1997, 157).
Rz. 13
Beachte
Zur Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität kommen dem Geschädigten keine Beweiserleichterungen zugute (BGH VersR 2004, 118).
bb) Entgangener Gewinn
Rz. 14
Nur klarstellende Funktion hat § 252 BGB, wonach der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn umfasst. Dieser bemisst sich danach, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Rz. 15
Merke
§ 252 BGB ist somit die materiellrechtliche Grundlage für den Gewinnersatz und ermöglicht dem Gericht über § 287 ZPO die Schätzung der Schadenshöhe.
Rz. 16
Ergänzt wird § 252 BGB im Bereich der unerlaubten Handlung durch § 842 BGB, der festlegt, in welchem Umfang der Schädiger bei Verletzung einer Person hinsichtlich des entgangenen Gewinns ersatzpflichtig ist.
Rz. 17
Die Vorschriften der §§ 843–846 BGB regeln darüber hinaus die Ersatzpflicht hinsichtlich der weiteren Personenschäden.
cc) Immaterielle Schäden
Rz. 18
Nach § 253 Abs. 1 BGB kann eine Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
Rz. 19
Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden (§ 253 Abs. 2 BGB).
Rz. 20
Durch die Neufassung des § 253 BGB durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz kann seit dem 1.8.2002 immer Ersatz des immateriellen Personenschadens (Schmerzensgeld) verlangt werden, und zwar nicht nur bei der Verschuldenshaftung nach den §§ 823 ff. BGB, sondern auch in allen Fällen der Gefährdungshaftung (insbesondere § 7 StVG) und der Vertragshaftung (siehe hierzu § 9 Rdn 34 ff.).
dd) Adäquanztheorie
Rz. 21
Der Geschädigte kann nur den adäquat durch die Verletzungshandlung verursachten Schaden ersetzt verlangen (so genannte Adäquanztheorie). Danach sind dem Schädiger besonders eigenart...