Rz. 361
Das Verweisungsprivileg greift jedoch ein, wenn der Amtsträger unter Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 Abs. 1 StVO schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht (BGH zfs 1983, 69).
Rz. 362
Praktisch bedeutsam ist die Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG insbesondere bei Verkehrsunfällen mit Fahrzeugen der Bundeswehr, der Bundespolizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, des Rettungsdienstes und Notarztdienstes sowie der Polizei, die sich im Einsatz befinden. Für Unfälle dieser Fahrzeuge wird regelmäßig nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gehaftet.
Rz. 363
Das gilt auch für Zivildienstleistende, die für eine private Beschäftigungsstelle (z.B. DRK) tätig sind und in Ausführung ihres Zivildienstes (beispielsweise als Krankenwagenfahrer) einen Verkehrsunfall verursachen (BGH VersR 1992, 1397 ff. u. 1997, 967).
Rz. 364
Da § 839 BGB die Haftung nach § 823 BGB in derartigen Fällen verdrängt, haftet für das Verschulden des Zivildienstleistenden folglich gemäß Art. 34 GG die Bundesrepublik Deutschland, während für die nach § 7 StVG ebenfalls zu erstattenden Schäden der Kfz-Halter (beispielsweise die Beschäftigungsstelle) und deren Kraftfahrthaftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden können (BGH VersR 1992, 1397 ff. u. 1997, 967).
Rz. 365
Nach früherem Recht führte dies bei derartigen Unfällen zu der besonderen Konstellation, dass der Geschädigte Schmerzensgeld nach § 847 BGB und materielle Schäden, die über die Haftungshöchstgrenzen des StVG hinausgingen, nur gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend machen konnte, wohingegen er sämtliche Schäden, für die der Halter nach § 7 StVG haftete (also die materiellen Schäden), auch von dem Halter und seinem Kfz-Haftpflichtversicherer ersetzt verlangen konnte.
Rz. 366
Durch die Neufassung des § 11 S. 2 StVG durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz, der Schmerzensgeldansprüche auch im Rahmen der Gefährdungshaftung des § 7 StVG ermöglicht (siehe § 9 Rdn 25 f.), ist seit dem 1.8.2002 der Schmerzensgeldanspruch – allerdings in den Haftungshöchstgrenzen des StVG – auch gegenüber dem Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs durchsetzbar. Fraglich erscheint, ob dann der Ausgleichsanspruch des regulierenden Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherers gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, wie im Urteil des BGH in DAR 2001, 271 ausgeschlossen, weiter aufrecht erhalten bleiben kann.
Rz. 367
Die Führer von Sonderrechtsfahrzeugen im Sinne des § 35 StVO dürfen diese nur unter Beachtung der Sicherheit und Ordnung des übrigen Straßenverkehrs in Anspruch nehmen. Hierbei ist größtmögliche Sorgfalt seitens desjenigen geboten, der das Sonderrecht in Anspruch nimmt. Je mehr der Sonderrechtsfahrer von den Verkehrsregeln abweicht, umso mehr muss er Warnzeichen im Sinne des § 38 StVO geben und sich vergewissern, dass der übrige Verkehr sie beachtet (BGH VRS 36, 40; OLG Köln VersR 1996, 905). Dies gilt insbesondere für zivile Einsatzfahrzeuge der Polizei, deren Martinshorn abgeschwächt wahrnehmbar ist (KG DAR 2003, 376).
Rz. 368
Die Vorsicht des Sonderrechtsfahrers muss umso größer sein, je weiter er sich über die sonst geltenden Verkehrsvorschriften hinwegsetzt. Dies kann zu einer Alleinhaftung des Halters eines Notarztwagens bei hoher Geschwindigkeit führen (OLG Hamm zfs 1996, 88).
Rz. 369
Beachte
Eigenversicherer, d.h. Haftpflichtversicherer von Fahrzeughaltern, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1–5 PflVG von der Versicherungspflicht befreit sind (Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern), können nicht nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG im Wege des Direktanspruchs in Anspruch genommen werden. Die Ansprüche müssen sich vielmehr allein gegen die Fahrzeughalterin richten (OLG Frankfurt zfs 1986, 242).