Rz. 815

Haben Eltern ihrem Kind eine optimale, begabungs- und neigungsbezogene – auch mehrstufige – Ausbildung gewährt, und hat das Kind eine Ausbildung abgeschlossen, dann sind sie ohne Rücksicht auf die Kosten, die sie dafür aufwenden mussten, ihrer Unterhaltspflicht aus § 1610 Abs. 2 in rechter Weise nachgekommen und grundsätzlich nicht verpflichtet, noch eine weitere, zusätzliche Ausbildung zu finanzieren, der sich das Kind nach Beendigung der ersten Ausbildung unterziehen will.[1141] Das Kind ist dann nicht mehr außerstande, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1). Dies gilt bei mangelnder Neigung und Eignung ebenso wie bei fehlenden angemessenen Verdienstmöglichkeiten in dem erlernten Beruf.

 

Rz. 816

Ausnahmsweise kann jedoch eine weitere Ausbildung (als Zweitausbildung) zu finanzieren sein,[1142] etwa wenn sie einvernehmlich von vornherein geplant und angestrebt war, insb. wenn sie zweifelsfrei als eine in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist, ohne dass die Voraussetzungen einer mehrstufigen Gesamtausbildung vorliegen,[1143] oder wenn sie sich als notwendig erweist, etwa weil der zunächst erlernte Beruf

aus gesundheitlichen[1144] (etwa unfallbedingte Behinderungen) oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen (Berufswechsel aus Gewissensgründen[1145]) nicht ausgeübt werden kann,[1146] oder
aus Gründen, die bei Beginn der Ausbildung nicht voraussehbar waren, keine ausreichende Lebensgrundlage bildet.[1147]
 

Rz. 817

In diesen Fällen sind bezüglich der Leistungsfähigkeit der Eltern strenge Anforderungen zu stellen: Wenn nicht vorrangig eine staatlich finanzierte Umschulung in einen wirtschaftlich gleichwertigen Beruf in Anspruch genommen werden kann,[1148] müssen jedenfalls die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern überdurchschnittlich gut sein. Letztlich ist über die Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalles zu entscheiden.[1149]

[1141] BGH FamRZ 1977, 629 (Nr. 221); BGH FamRZ 1998, 671 = FuR 2000, 92.
[1142] BGH FamRZ 1977, 629 = BGH FamRZ 1989, 853 m.w.N.; BGH FamRZ 1980, 1115.
[1143] BGH FamRZ 1995, 416 (Nr. 221); OLG Koblenz FamRZ 2001, 1164.
[1144] OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 555.
[1145] OVG Münster FamRZ 1994, 1215.
[1146] BGH FamRZ 1977, 629; BGH FamRZ 1993, 1057; OLG Zweibrücken FamRZ 1980, 1058; OLG Hamm FamRZ 1989, 1219.
[1147] BGH FamRZ 1977, 629 (Nr. 221).
[1148] OLG Frankfurt FamRZ 1994, 257.
[1149] OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 975.

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