Rz. 133
Das auch dem Ausbildungsunterhaltsanspruch zugrundeliegenden Gegenseitigkeitsprinzip bestimmt für die Eltern als Anspruchsschuldner aber auch für das (minderjährige) Kind gegenseitige Leistungspflichten.
Auf der einen Seite schulden die Eltern dem Kind die Finanzierung einer der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen entsprechenden Ausbildung.
Rz. 134
Das Kind trägt das Risiko, eine Anstellung im erlernten Beruf zu finden.
Rz. 135
Praxistipp
Findet das Kind nach Abschluss der Ausbildung keine Anstellung, sind die Eltern nichtsdestotrotz nicht zur Finanzierung einer möglicherweise sinnvollen Weiter- oder Zweitausbildung verpflichtet.
Rz. 136
Etwas Anderes kann nur unter besonderen, außergewöhnlichen Umständen gelten, wenn dem Kind eine angemessene Ausbildung versagt worden ist, weil die Eltern es in einen Beruf entgegen der Begabung gedrängt haben oder wenn die Begabung und Neigung des Kindes gänzlich falsch eingeschätzt worden ist und sich dieser Umstand erst nach Abschluss der Ausbildung herausstellt.
Bei Vorliegen solcher Umstände sind die Eltern – ausnahmsweise – ihrer Verpflichtung zur Finanzierung einer angemessenen Ausbildung gemäß § 1610 Abs. 2 noch nicht nachgekommen.
Rz. 137
Praxistipp
Nach Abschluss der Berufsausbildung wird eine Weiterbildungsmaßnahme des Kindes von den Eltern nur geschuldet, wenn und soweit ein solcher Inhalt des ursprünglichen Ausbildungsgangs ist.
Rz. 138
Dem stehen die Leistungspflichten des Kindes gegenüber.
Rz. 139
Der Unterhaltsschuldner verfügt über Auskunfts- und Kontrollrechte. Das unterhaltsberechtigte Kind ist im Rahmen des Auskunftsanspruchs verpflichtet, Auskunft über den Fortgang der Ausbildung zu erteilen und den Unterhaltsschuldner über die erbrachten Leistungen zu informieren. Darüber hinaus steht dem Unterhaltsschuldner ein Belegvorlageanspruch hinsichtlich der Leistungsnachweise (Zeugnisse) zu.
Rz. 140
Praxistipp
Verweigert sich das Kind hartnäckig dem Auskunfts- und/oder Belegvorlageanspruch des Unterhaltsschuldners steht diesem ein Zurückbehaltungsrecht bis Informationsfluss bzw. Belegvorlage zu. In extremen Fällen erlischt der Ausbildungsunterhaltsanspruch dem Grunde nach, sodass sich dem Schuldner die Möglichkeit des Abänderungsantrags eröffnet.
Rz. 141
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das hartnäckige Fehlverhalten des Unterhaltsgläubigers am Sachverhalt konkret festgestellt werden muss.
Rz. 142
Aus dem gegenseitigen – auch für minderjährige Kinder geltenden – Rücksichtnahmegebot des § 1618a, nach dem Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden, folgt, dass das Kind gegebenenfalls seine Eltern über eine Änderung im Rahmen seiner Ausbildung unverzüglich informiert und sich mit ihnen berät. Dies gilt sowohl für Ausbildungsziel als auch -ort. Unterlässt es das Kind, den/die Unterhaltsschuldner in seine Pläne einzubeziehen, kann der Wegfall des Anspruchs dem Grunde nach die Folge sein. An dieser Stelle ist genau zu prüfen, ob nicht ein zu berücksichtigender sachlicher Grund für den Wechsel im Rahmen der Ausbildung gegeben ist.
Rz. 143
Praxistipp
Ein Wechsel im Rahmen der Ausbildung ist immer auch am Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der bzw. des Unterhaltsschuldners zu messen.