Rz. 43
Grundsätzlich hat das minderjährige Kind Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestunterhalts, der in § 1612a Abs. 1 Satz 2 und 3 definiert ist. Für diesen Mindestbedarf des minderjährigen Unterhaltsgläubigers haftet der Unterhaltsschuldner im Rahmen seiner verschärften Leistungspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1.
a) Entwicklung und Herleitung des Mindestbedarfs
Rz. 44
Ursprünglich, nämlich bis 30.6.1998, musste gemäß § 1615f Abs. 1 a.F. für nichteheliche Kinder der in der Regelunterhalts-VO festgelegte Regelunterhalt gezahlt werden. Nach § 1610 Abs. 3 Satz 1 a.F. war diese Verordnung auch Grundlage für den Mindestunterhalt des ehelichen Kindes. In der Zeit von 1.7.1998 bis 31.12.2007 bestimmte sich der Unterhaltsbedarf des ehelichen als auch des nichtehelichen Kindes nach seinen Verhältnissen (§ 1610 a.F.), die wiederum von den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils abhingen. Der Unterhalt wurde nach dem Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags bestimmt, der in der Regelbetrag-VO angegeben wurde.
Rz. 45
Seit 1.1.2008 mit Inkrafttreten der Unterhaltsreform 2007 definiert § 1612a Abs. 1 Satz 2 den gesetzlichen Mindestunterhalt als denjenigen Barbetrag, auf den das minderjährige Kind grundsätzlich Anspruch hat, und den der Unterhaltsschuldner grundsätzlich zu leisten verpflichtet ist.
Rz. 46
§ 1612a Abs. 1 bestimmt den unterhaltsrechtlichen Mindestbedarf eines minderjährigen Kindes und nimmt dabei an, dass das minderjährige Kind jedenfalls in Höhe des Mindestunterhalts bedürftig ist und der barunterhaltspflichtige Elternteil grundsätzlich in der Lage ist, seinem nicht mit ihm in einem Haushalt lebenden Kind, zumindest den Mindestunterhalt zu bezahlen. Die Düsseldorfer Tabelle geht vom Mindestunterhalt als Grundlage aus, wobei dieser den gesamten Lebensbedarf des Kindes (ohne Vorsorge für Krankheit und Pflege) umfasst.
Rz. 47
Praxistipp
Der Mindestbedarf enthält die Bedarfspositionen Kosten der Unterkunft, Heizkosten, Energiekosten und Kosten für Kleidung, Lebensmittel, Körperpflege, Bildung, Haushaltsgegenstände und sonstige persönliche Bedürfnisse in Höhe der jeweiligen sozialhilferechtlichen Regelsätze.
Rz. 48
Zur Ermittlung der Höhe des Mindestbedarfs wird vom Familienexistenzminimum ausgegangen, also dem Betrag, der nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Steuerschuld von seinem Einkommen verbleiben muss, um den notwendigen Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten. Dieser Einkommensteil des Steuerpflichtigen muss von der Einkommenssteuer verschont bleiben. Daher knüpft der Mindestunterhalt an den einkommenssteuerrechtlichen Kinderfreibetrag des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG an, der gewährleistet, dass derjenige Betrag, der zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs eines minderjährigen Kindes erforderlich ist, von der Besteuerung ausgenommen bleibt. Der Kinderfreibetrag kommt jeweils dem einkommenssteuerpflichtigen Elternteil zugute, sodass der Betrag, der im Existenzminimumbericht als sächliches Existenzminimum von Kindern ausgewiesen wird, zu halbieren ist. Der Mindestunterhalt entspricht folglich dem doppelten Freibetrag.
Rz. 49
Praxistipp
Seit Inkrafttreten der Unterhaltsreform 2007 zum 1.1.2008 hat der Mindestunterhalt einheitlich Geltung für das gesamte Bundesgebiet.
b) Darlegungs- und Beweislast beim Mindestbedarf
Rz. 50
Der gesetzliche Mindestunterhalt ist derjenige Barunterhaltsbetrag, auf den ein minderjähriges Kind zur Deckung seines gesamten Lebensbedarfs Anspruch hat. Diesen Betrag ist der Unterhaltsschuldner grundsätzlich zu leisten verpflichtet.
Dieser Betrag kann vom minderjährigen Kind gerichtlich, ohne Darlegung seiner Lebensverhältnisse, geltend gemacht werden. Weder der Bedarf des Kindes noch die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners müssen dargelegt oder bewiesen werden. Vielmehr trägt der Unterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für seine eingeschränkte oder gar fehlende Leistungsfähigkeit.
Rz. 51
Praxistipp
Der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf einen öffentlichen Träger nach §§ 7 UVG, 33 SGB II oder 94 SGB XII oder einen Dritten nach § 1607 ändert an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nichts.
Rz. 52
Im Übrigen haftet der Unterhaltsschuldner des minderjährigen Kindes für den Mindestbedarf nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 ohnehin "verschärft".
c) Umrechnung dynamischer Titel über Kindesunterhalt nach § 36 EGZPO
Rz. 53
Bis 31.12.2007 wurde der geschuldete Unterhalt als Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO angegeben. Solche Unterhaltstitel haben auch ab 1.1.2008 Bestand, sodass eine Abänderung nicht erfolgen muss. Mit Inkrafttreten der Unterhaltsreform 2007 zum 1.1.2008 tritt an die Stelle des Vomhundertsatzes vom Regelbetrag ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt. Die Umrechnung der "Alt"...