Rz. 806
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt setzt – bezogen auf eine mehrstufige Ausbildung – neben den allgemeinen Voraussetzungen nach § 1610 Abs. 2 voraus, dass der Ausbildungsabschnitt im Anschluss an die praktische Ausbildung mit dieser in einem engen sachlichen – praktische Ausbildung und Studium müssen derselben Berufssparte angehören oder sich fachlich ergänzen – und zeitlichen – das Studium muss nach Abschluss der Lehre zielstrebig aufgenommen werden – Zusammenhang steht, und dass die Finanzierung des Ausbildungsgangs den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.
(a) Sachlicher (= fachlicher) Zusammenhang
Rz. 807
Mehrere Ausbildungsteile können nicht nur dann zu einer einheitlichen Gesamtausbildung verknüpft werden, wenn von vornherein ein einheitlicher Berufsplan aufgestellt worden ist, sondern auch dann, wenn zwischen den verschiedenen Ausbildungsstufen ein fachlicher (= sachlicher) Zusammenhang besteht. Praktische Ausbildung und Studium müssen also entweder derselben Berufssparte angehören oder jedenfalls so aufeinander bezogen sein, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet, oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstellt. Fach- und berufsbezogene Ausbildungsgänge zur Erlangung der Hochschulreife stehen dabei einer schulischen Ausbildung gleich. Das Tatbestandselement sachlicher Zusammenhang liegt daher nicht vor, wenn praktische Ausbildung und Studium eine inhaltlich völlig verschiedene Wissensvermittlung zum Gegenstand haben.
Rz. 808
Soweit in den Fällen Schule-Lehre-Studium eine Weiterbildung zu verneinen ist, weil zwischen Lehre und Studium kein enger fachlicher Zusammenhang besteht, ist zu prüfen, ob eine Zweitausbildung von den Eltern zu finanzieren ist, wenn und weil die Lehre keine angemessene Ausbildung darstellt. Der Abschluss einer Lehre steht dem Anspruch eines Kindes gegen seine Eltern auf Finanzierung eines Studiums jedoch dann nicht entgegen, wenn erst der erfolgreiche Abschluss der Lehre in Verbindung mit dem zuvor erworbenen Abschlusszeugnis einer zweijährigen Höheren Handelsschule zur Fachhochschulreife des Kindes führt. Eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Lehre und Studium in dem Sinne, dass die Lehre eine sinnvolle fachliche Vorbereitung des Studiums darstellt, bedarf es unter diesen Voraussetzungen nicht.
Praxistipp
Ein fachlicher Zusammenhang wurde vom BGH bejaht bei Absolvierung einer Banklehre mit anschließendem Lehramtsstudium.
(b) Zeitlicher Zusammenhang
Rz. 809
Der Anspruch auf Unterhalt für die Dauer einer mehrstufigen Ausbildung setzt weiter voraus, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte zeitlich eng zusammenhängen. Übt es im Anschluss an eine Lehre den erlernten Beruf aus, obwohl es mit dem Studium beginnen könnte, und wird der Entschluss zum Studium auch sonst nicht erkennbar, wird dieser Zusammenhang und damit die Einheitlichkeit des Ausbildungsgangs aufgehoben, insb. wenn zwischen Beendigung der Lehre und Aufnahme des Studiums mehr als 30 Monate, ja sogar mehrere Jahre, liegen. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Lehre und einem Studium ist in der Regel dann nicht mehr gegeben, wenn das Kind nach der Lehre zwei Jahre in dem Ausbildungsberuf gearbeitet und eine eigene Lebensstellung erreicht hat. Wenn der auf Barunterhalt in Anspruch genommene Elternteil von dem Studienwunsch des Kindes keine Kenntnis hatte, ist es dann auch unerheblich, ob das Kind die zeitliche Verzögerung zu vertreten hat oder nicht.
Abzustellen ist jedoch grundsätzlich auf die Umstände des Einzelfalls. So wurde ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für den Fall noch bejaht, dass zwischen Schulabschluss und der Aufnahme der Ausbildung sieben Jahre liegen, wenn der Unterhaltsberechtigte zwischenzeitlich vier Kinder bekommen und diese nach der Geburt betreut hat.
Rz. 810
Die Unterhaltspflicht kann nur für eine Ausbildung insgesamt bejaht oder verneint werden. Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht daher nicht, wenn nach der Ausbildung zur Bürogehilfin ein Jahr im erlernten Beruf gearbeitet und erst dann der Schulbesuch wieder aufgenommen wird. Findet das volljährige Kind – gleich aus welchen Gründen – zunächst keine Arbeits- oder Lehrstelle, und nimmt es dann über ein Jahr später ein Studium auf, so fehlt es regelmäßig am notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang der Ausbildungsabschnitte.
Rz. 811
Allerdings kann der zeitliche Zusammenhang auch dann gewahrt sein, wenn die zwischen der praktisch-beruflichen Ausbildung und dem Studienbeginn des Kindes vergangene Zeit auf zwangsläufige, dem Kind nicht anzulastende Umstände zurückzuführen ist. Auch wird der zeitliche Zusammenhang durch eine Wartezeit bis z...