Rz. 833
Gem. § 1602 ist nur derjenige unterhaltsberechtigt, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, also unterhaltsbedürftig ist; das ist für volljährige Kinder der Fall, solange und soweit sie noch keine eigene Lebensstellung erreicht haben, regelmäßig also, wenn sie sich in Ausbildung befinden, aber auch bei Vorliegen einer Notlage, Krankheit oder Betreuung eines eigenen minderjährigen Kindes.
Rz. 834
§ 1602 Abs. 1 normiert das Eigenverantwortungsprinzip im Verwandtenunterhalt: Das (nicht mehr betreuungsbedürftige) volljährige Kind ist unterhaltsrechtlich grundsätzlich als Erwachsener zu behandeln. Es ist regelmäßig für sich selbst verantwortlich und muss daher auch eigenständig für seinen Lebensunterhalt sorgen. Dabei ist das Kind verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Sicherstellung seines notwendigen Lebensbedarfs nach ähnlich strengen Maßstäben zu nutzen wie Eltern, die gegenüber minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig sind.
Rz. 835
Dies gilt nur dann nicht, wenn das Kind entweder eine (staatlich anerkannte) Berufsausbildung absolviert, oder wenn es unverschuldet in Not geraten und deshalb außerstande ist, seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf (§ 1610) ganz oder teilweise aus eigenen Mitteln – Einkommen auch aus einfachsten Tätigkeiten sowie Vermögen – und Kräften (keine Möglichkeit zu einer zumutbaren Erwerbstätigkeit) zu decken.
Rz. 836
Praxistipp
Der Anspruch eines Verwandten auf Unterhalt kann wegen der Verletzung von Obliegenheiten gemindert oder gar ausgeschlossen sein.
Rz. 837
Wenn und soweit die Bedürftigkeit ganz oder teilweise auf das Verhalten des Verwandten in der Vergangenheit zurückzuführen ist, ist die Sondervorschrift des § 1611 zu beachten, die in ihrem Geltungsbereich den Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze ausschließt. Ein bereits erloschener Unterhaltsanspruch kann unter gewissen Voraussetzungen wieder aufleben.
a) Deckung des eigenen Lebensbedarfs durch Einkommen
Rz. 838
Der Lebensbedarf des Unterhalt begehrenden Verwandten kann sowohl durch eigene (fiktive) Einkünfte (§ 1602 Abs. 1) gedeckt sein.
aa) Deckung des Lebensbedarfs durch eigene Einkünfte
Rz. 839
Nach § 1602 Abs. 1 ist nur derjenige Verwandte unterhaltsberechtigt, der außerstande ist, seinen Lebensbedarf aus eigenen Einkünften teilweise oder insgesamt zu decken, und der auch nicht verpflichtet ist, sich durch zumutbare Arbeit Einkünfte zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu beschaffen. Zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs sind alle Einkünfte jeder Art (s. § 2 EStG) des Unterhalt begehrenden Verwandten steuerbereinigt zur Deckung seines Lebensbedarfs anzurechnen, sofern er bereits volljährig ist.
Rz. 840
Das Gesetz geht grundsätzlich von der Erwerbsobliegenheit eines jeden Verwandten aus und gewährt eine Unterstützung durch den Unterhaltsschuldner nur dort, wo für den Unterhaltsgläubiger keine Erwerbsobliegenheit (mehr) besteht. Im Rahmen der Minderung der Bedürftigkeit durch eigenes Einkommen ist demnach zwischen Einkommen aus zumutbarer und aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit zu differenzieren.
(1) Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit
Rz. 841
Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit mindert den (Unterhalts-) Bedarf des Unterhalt begehrenden Verwandten nach Kürzung um Erwerbsaufwand und Mehrbedarf in vollem Umfang. Gleiches gilt für solche Einkünfte, die unter Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit nicht erzielt worden sind.
Rz. 842
Praxistipp
Die bedarfsmindernde Wirkung der Einkünfte des Unterhaltsgläubigers tritt in dem Monat ein, in dem die Vergütung zufließt.
Rz. 843
Häufigster Fall der Erwerbseinkünfte eines volljährigen Kindes ist dessen Ausbildungsvergütung. Diese wird bereinigt in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet, da die Eltern dem volljährigen Kind, anders als dem Minderjährigen – nur – Barunterhalt schulden.
Rz. 844
Die Ausbildungsvergütung des volljährigen Kindes ist um die ausbildungsbedingten Aufwendungen zu kürzen, wenn und soweit diese für die Ausbildung notwendig sind und tatsächlichen anfallen. Der ausbildungsbedingte Mehrbedarf steht dem volljährigen Kind nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung und kann daher keine bedarfsdeckende Wirkung entfalten. Dieser wird pauschal mit 100 EUR bewertet.
Rz. 845
Praxistipp
Der "ausbildungsbedingte Mehrbedarf", also die mit der Berufsausbildung verbundenen Kosten, ist nicht mit den berufsbedingten Aufwendungen von Erwerbstätigen gleichzusetzen, allerdings sind beide Positionen, sofern berufsbedingte Aufwendungen tatsächlich anfallen, einkommensmindernd vorab in Abzug zu bringen. In der Praxis bedeutet dies, dass von der Ausbildungsvergütung ein Betrag in Höhe von 100 EUR und des weiteren Fahrtkosten in ihrer konkreten Höhe, wie sie dem Auszubildenden tatsächlich entstanden sind, einkommensmindernd abzuziehen sind.
Rz. 846
Die Ausbildungsvergütung des volljährigen Kindes ist also um d...