Rz. 761
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt setzt voraus, dass das Kind für den von ihm angestrebten Beruf geeignet ist, dass also der bisherige schulische Werdegang einen erfolgreichen Abschluss der angestrebten Ausbildung erwarten lässt. Ob das geistige Leistungsvermögen des Kindes auch den Anforderungen einer höher qualifizierten Tätigkeit genügt, lässt sich nicht allein mit Rücksicht auf das Bestehen des Abiturs beurteilen. Das Abitur allein verpflichtet die Eltern daher nicht zwangsläufig dazu, (auch) ein Hochschulstudium zu finanzieren. Andernfalls würde jede im ersten oder zweiten Bildungsweg erlangte formelle Berechtigung zum Studium die Verpflichtung zur Finanzierung dieser Ausbildung nach sich ziehen, ohne dass es – wie es § 1610 Abs. 2 verlangt – auf die Angemessenheit der Ausbildung im Einzelfall ankäme. Ein Kind, das in der Schule immer nur unter strengster Aufsicht Leistungen erbracht hat, ist für ein Studium selbst dann ungeeignet, wenn seine intellektuellen Fähigkeiten ansonsten ausreichen würden.
Rz. 762
Grundsätzlich ist die Frage der beruflichen Eignung eines Kindes aus der Sicht bei Beginn der Ausbildung und den zu dieser Zeit zutage getretenen Anlagen zu beantworten. Ausnahmen gelten für sog. Spätentwickler, bei denen auf das Ende der Erstausbildung oder (sogar) erst auf den Beginn der Zweitausbildung abgestellt werden soll, um eine unangemessene Benachteiligung zu vermeiden.
Rz. 763
Auch während der Ausbildung kann sich mangelnde Eignung herausstellen. Wird die Ausbildung dennoch fortgesetzt, entfällt der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Leichtere Verzögerungen oder ein zeitweiliges Versagen sind vor dem Hintergrund des Gegenseitigkeitsprinzips von den Eltern hinzunehmen, wenn das Kind ansonsten seine Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit durchführt.
Rz. 764
Die Ausbildung eines volljährigen Kindes an einer Privatschule kann nur dann zu einer Anhebung seines Bedarfs führen, wenn es sich bundesweit erfolglos um einen Platz an einer staatlichen Schule beworben hat. Wer wegen unzulänglicher Leistungen das staatliche Gymnasium verlassen muss, kann grundsätzlich nicht von seinen Eltern die Kosten dafür beanspruchen, noch auf Umwegen, insb. durch den Besuch von Privatschulen, das Abitur und damit die Studienreife zu erlangen. Ist das erstrebte Ausbildungsziel zweimal verfehlt worden, ist im Allgemeinen von unzureichenden Fähigkeiten oder nicht hinreichendem Leistungswillen auszugehen. Mit dem Verlust der Studienberechtigung an einer Universität wegen mehrfachen Nichtbestehens von Prüfungen büßt ein Student den Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ein. Zur Finanzierung eines später aufgenommenen Weiterstudiums sind die Eltern nicht mehr verpflichtet.