Rz. 878
Zum Unterhalt verpflichtet ist nur derjenige, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren in der Lage ist (§ 1603 Abs. 1). Dem Unterhaltsschuldner verbleiben alle seine zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigten Mittel (angemessener Eigenbedarf). Der eigene Unterhalt wird als Selbstbehalt bezeichnet.
Rz. 879
§ 1603 begrenzt die Leistungspflicht des Unterhaltspflichtigen auf den Betrag, der seinen eigenen Lebensbedarf (Eigenbedarf = Selbstbehalt) übersteigt. Leistungsfähig i.S.d. § 1603 ist also nur der Unterhaltspflichtige, dessen bereinigtes Nettoeinkommen über den Selbstbehalt liegt. Nach § 1603 Abs. 1 scheidet die Unterhaltspflicht eines Elternteils gegenüber dem volljährigen Kind aus, wenn und soweit der Elternteil unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, dem volljährigen Kind Unterhalt zu gewähren, ohne dass sein eigener angemessener Unterhalt (Selbstbehalt) gefährdet ist.
Rz. 880
Praxistipp
Die volljährigen nicht privilegierten Kinder befinden sich nach § 1609 Nr. 4 im 4. Rang, das heißt, dass der Unterhaltsschuldner mit dem seinen angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommensbetrag vorrangig bestehende Unterhaltspflicht – soweit möglich – in voller Höhe zu bedienen hat. Nur wenn und soweit nach unterhaltsrechtlicher Befriedigung des 1. bis 3. Ranges noch Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners besteht, liegt kein Mangelfall vor.
a) Abgrenzung volljähriges/privilegiert volljähriges Kind (§ 1603 Abs. 2 Satz 2)
Rz. 881
§ 1603 Abs. 2 "verschärft" gegenüber § 1603 Abs. 1 die Leistungspflicht des Unterhaltspflichtigen in Form einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit für die minderjährigen Kindern gleichgestellte volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 Satz 2).
Rz. 882
Privilegiert sind die volljährigen unverheirateten Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern, eines Elternteils oder der Großeltern leben, und sich in der allgemeinen Schulausbildung (siehe Rdn 295) befinden.
b) Umfang der Leistungspflicht nach § 1603 Abs. 1
Rz. 883
Den gegenüber dem volljährigen Kind zum Unterhalt verpflichteten Elternteil trifft – anders als gegenüber dem minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kind – keine gesteigerte Unterhaltspflicht im Sinne einer verschärften Haftung.
Rz. 884
Nach § 1603 Abs. 1 ist unterhaltspflichtig nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs (= Eigenbedarf = Selbstbehalt) den vollen Unterhalt zu gewähren. Nur der Teil des – unterhaltsrechtlich bereinigten – Einkommens ist für den Unterhalt verfügbar, das den Selbstbehalt übersteigt. Lediglich insoweit ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen gegeben.
c) Der angemessene Selbstbehalt gegenüber dem volljährigen nicht privilegierten Kind
Rz. 885
Der Eigenbedarf (Selbstbehalt) begrenzt die Leistungspflicht und damit die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, indem das Tatbestandmerkmal des § 1603 Abs. 1 "außerstande" die Grenze zieht zwischen dem Betrag seines Einkommens, der dem Unterhaltsschuldner für sich verbleiben muss, weil er ihn zur Deckung seines eigenen Bedarfs benötigt, und dem der für die Zahlung von Unterhalt zur Verfügung steht. § 1603 Abs. 1 teilt das Einkommen des Unterhaltsschuldners somit in einen Teil der beim Schuldner verbleibt, nämlich der Selbstbehalt (Eigenbedarf), und den Teil in dessen Höhe der Schuldner leistungsfähig ist, also Unterhalt leisten kann.
Rz. 886
Gegenüber Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder steht dem Unterhaltsschuldner der angemessene Selbstbehalt in Höhe von derzeit 1.650 EUR zu. In diesem Betrag sind 650 EUR für Warmmiete enthalten. Nach Auffassung des BGH ist nicht zu beanstanden, dass beim angemessenen Selbstbehalt im Hinblick eine Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners keine Unterscheidung – wie dies beim notwendigen Selbstbehalt der Fall ist – erfolgt.
Rz. 887
Praxistipp
Die Synergie-Effekte einer neuen – auch gleichgeschlechtlichen – Partnerschaft werden mit einer Kürzung des Selbstbehalts für jeden der zusammenlebenden Partner um je 10 %, d.h. für beide um 20 % wiedergegeben.
d) Einkünfte, Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen, Einsatz des Vermögensstamms und Hausmann-Rechtsprechung
Rz. 888
Die Bestimmung des Einkommens folgt den allgemeinen Grundsätzen, wobei sich im Unterhaltsrechtsverhältnis zum volljährigen Kind insofern Besonderheiten im Vergleich zum minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Unterhaltsgläubiger ergeben, als der Umfang der Erwerbsobliegenheit ein geringerer ist und die Hausmann-Rechtsprechung in nur sehr eingeschränktem Umfang Geltung hat.
aa) Tatsächliche Einkünfte des Unterhaltsschuldners
Rz. 889
Im Rahmen d...