Rz. 789
Verzögerungen/Unterbrechung der Ausbildung sind nach Treu und Glauben (§ 242) auch dann hinzunehmen, wenn die Verlängerung der Ausbildungszeit (alleine oder überwiegend) auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen ist. Im Einzelfall muss der Unterhaltsschuldner auch eine nicht unerhebliche Verzögerung in der Ausbildung des Kindes hinnehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller Umstände nur auf ein leichteres, vorübergehendes Versagen des Kindes zurückzuführen ist.
Rz. 790
Praxistipp
Nimmt ein volljähriges Kind seine Eltern wegen Verzögerungen in der Ausbildung weiter auf Unterhalt in Anspruch, ist es verpflichtet, seine Eltern über die Gründe der Ausbildungsverzögerung zu informieren, denn die unterhaltspflichtigen Eltern haben nach Treu und Glauben nur solche Verzögerungen hinzunehmen, die auf ein vorübergehendes leichtes Versagen oder auf eine Krankheit zurückzuführen sind.
Auch wenn das um Ausbildungsunterhalt nachsuchende volljährige Kind seine Obliegenheit vernachlässigt, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und zu betreiben, entfällt der Unterhaltsanspruch jedenfalls dann nicht, wenn dem volljährigen Kind aufgrund einer Erkrankung – hier: seit dem 3. Lebensjahr bestehende, komplexe Aufmerksamkeitsdefizit- und Aktivitätsstörung schwerer Form, verbunden mit einem reaktiven depressiven Syndrom – die Einsicht fehlt, dass es vor Aufnahme einer Ausbildung zunächst der fachärztlichen Therapie bedarf und es krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, der Erkrankung gegenzusteuern und die notwendigen Maßnahmen zu deren Behandlung zu ergreifen.
Rz. 791
Allerdings führt eine nicht rechtzeitig abgelegte oder nicht bestandene Zwischenprüfung regelmäßig noch nicht zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt. Der insoweit anzuwendende Maßstab der nach § 1610 Abs. 2 gebotenen Zumutbarkeitsprüfung darf nicht zu eng gezogen werden, sondern hat in Rechnung zu stellen, dass bei intakten Verhältnissen Eltern häufig großzügige Anstrengungen unternehmen, um ihren Kindern eine qualifizierte Ausbildung zu verschaffen, und vielfach auch bereit sind, zwischenzeitliche Misserfolge und Irrtümer bei der Wahl des Ausbildungsweges hinzunehmen.
Rz. 792
Ein Bummelstudium muss nicht finanziert werden. Zu einem ordnungsmäßigen Studium gehört, dass der Student den wesentlichen Teil der lehrplanmäßigen Studienveranstaltungen besucht und sich mit der Studienmaterie ernsthaft beschäftigt. Die für die Ausbildung maßgeblichen Ausbildungspläne sind grundsätzlich einzuhalten, wobei Studenten jedoch ein gewisser Spielraum für die selbstständige Auswahl der angebotenen Lehrveranstaltungen und für einen eigenverantwortlichen Aufbau des Studiums zuzugestehen ist. Tauchen Zweifel auf, dann muss der Student im Einzelnen darlegen und nachweisen, dass er sein Studium zielstrebig betreibt.