Rz. 377

Der Unterhaltsschuldner ist zur Aufnahme einer Ausbildung verpflichtet, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt, die Grundlage für das Bestreiten des eigenen Lebensbedarfs sowie für den Unterhalt des minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindes ist.[508] An dieser Stelle sind die Interessen des Unterhaltsschuldners (Ausbildung) und des Unterhaltsgläubigers (Unterhalt) abzuwägen.[509]

 

Rz. 378

Grundsätzlich überwiegt wohl das Interesse am Abschluss der Erstausbildung durch den Unterhaltsschuldner das – kurzfristige – Interesse des Unterhaltsgläubigers, da schließlich sein Unterhaltsanspruch langfristig durch den Abschluss der Ausbildung des Unterhaltsschuldners sichergestellt wird.[510] Allerdings treffen den Unterhaltsschuldner hinsichtlich des Fortgangs seiner Ausbildung erhebliche Pflichten, die mit denen des von den Eltern Ausbildungsunterhalt begehrenden Kindes vergleichbar sind.[511] Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt jedenfalls dann hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalts zurück, wenn der Unterhaltsverpflichtete bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und aufgrund seiner Schulausbildung sowie sonstigen beruflichen Erfahrung in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.[512]

 

Rz. 379

In allen anderen Fällen, wenn es sich also nicht um die Erstausbildung des Unterhaltsschuldners handelt, überwiegt das Unterhaltsinteresse des minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindes das Interesse des Unterhaltsschuldners eine Aus- oder Weiterbildung im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit aufzunehmen.

[508] OLG Hamm MDR 2006, 453; OLG Jena FamRZ 2005, 1110.
[509] BGH FamRZ 2011, 1041.
[510] BGH FamRZ 2011, 1041.
[511] Z.B. Grüneberg/von Pückler, § 1610 Rn 19 ff.
[512] OLG Hamm FamRZ 2015, 1972.

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