Rz. 674
Es gibt zwar grundsätzlich keine festgeschriebene Obergrenze für den Kindesunterhalt. Dennoch sind die Einkommensgruppen der Tabellen nach oben begrenzt: Für ein 5.101 EUR übersteigendes Nettoeinkommen verweist die DT auf die Bemessung nach den Umständen des Falles. Eine solche Pauschalierungsgrenze ist sachgerecht und erlaubt.
Rz. 675
Praxistipp
Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine allgemeine Sättigungsgrenze, die den Unterhaltsanspruch pauschal nach oben hin begrenzt. Es hat vielmehr eine Bedarfsbemessung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.
Rz. 676
Übersteigt das maßgebende Elterneinkommen den Höchstsatz der DT, dürfen die für die oberste Einkommensgruppe geltenden Bedarfssätze daher nicht schematisch fortgeschrieben werden. Zutreffend rechtfertigt der BGH die Notwendigkeit einer konkreten Bedarfsermittlung bei hohen Einkommen nicht nur mit der Gefahr einer Zweckentfremdung des ausschließlich zur Bedarfsdeckung des Kindes bestimmten Unterhalts, sondern auch mit der Schwierigkeit, bei erheblich über dem Durchschnitt liegenden Lebensverhältnissen der Eltern einen diesen Verhältnissen angemessenen Lebenszuschnitt der Kinder zu ermitteln und pauschalierend zu verallgemeinern.
Rz. 677
Bei überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen des Unterhaltsschuldners ist einerseits zu berücksichtigen, dass sich Kinder und Heranwachsende auf dem Weg zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit befinden. Der Kindesunterhalt hat hier die Aufgabe, den gesamten (ggf. auch gehobenen) Lebensbedarf eines Kindes oder Heranwachsenden sicherzustellen. Allerdings muss auch bei höherem Elterneinkommen sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, an die sie sich vielfach im Zusammenleben mit ihren Eltern gewöhnt haben, und die ihnen auch nach der Trennung ihrer Eltern grundsätzlich erhalten bleiben soll. Wie dieser Lebensstil im Einzelnen beschaffen ist, welche Bedürfnisse des Kindes auf seiner Grundlage zu befriedigen sind, und welche Wünsche des Kindes als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssen, kann nur im Einzelfall unter Würdigung der besonderen Verhältnisse der Betroffenen festgestellt werden, wobei auch auf die Gewöhnung des Unterhaltsgläubigers an einen von seinen Eltern während des Zusammenlebens gepflogenen aufwendigen Lebensstil zu achten ist.
Rz. 678
Jenseits der allgemeinen richterlichen Erfahrungswerte, die in der DT zum Ausdruck kommen, muss der Unterhaltsgläubiger diese Gesamtumstände und Bedürfnisse, aus denen er seinen Bedarf ableitet, konkret (substantiiert) darlegen und im Falle des Bestreitens beweisen. Dabei dürfen an die Darlegungslast keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass der Kindesunterhalt auch bei einem 5.101 EUR übersteigenden Elterneinkommen faktisch auf den für die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben wird.
Rz. 679
Dem höheren Unterhalt begehrenden Kind darf im Regelfall nicht zugemutet werden, seine gesamten Aufwendungen in allen Einzelheiten spezifiziert darzulegen. Der Unterhaltsgläubiger darf sich daher regelmäßig darauf beschränken, besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse zu belegen und darzutun, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind. Im Übrigen kann der zur Deckung erforderliche Betrag unter Heranziehung des Mehrbetrages berechnet werden, der sich aus der Gegenüberstellung solcher besonderer Bedürfnisse mit bereits von den Richtwerten der DT erfassten Grundbedürfnissen ergibt, und unter Zuhilfenahme allgemeinen Erfahrungswissens nach Maßgabe des § 287 ZPO bestimmt werden. Es obliegt dem Unterhaltsberechtigten, substantiiert eine zuverlässige Schätzgrundlage darzulegen.
Rz. 680
Praxistipp
Lebt das volljährige Kind vermögender Eltern weiterhin im Haushalt eines Elternteils, dann können die bisherigen Grundsätze für die Bedarfsbemessung herangezogen werden, die in den Jahren unmittelbar vor Eintritt der Volljährigkeit einvernehmlich praktiziert worden sind. Hat der barunterhaltspflichtige Elternteil in diesem Zeitraum Barunterhalt geleistet, der bescheidener war als es seiner Einkommenslage entsprochen hätte, so muss der Unterhaltsgläubiger dartun, welche Änderung in seiner bisherigen Lebensstellung eingetreten ist, die einen nunmehr abweichenden und am Einkommen des Unterhaltsschuldners orientierten Unterhaltsanspruch rechtfertigt.
Rz. 681
Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen (siehe Rdn 78 ff.), insbesondere auf die dortige Checkliste zur konkreten Bedarfsbemessung im Rahmen des Unterhalts für das minderjährige Kind, hingewiesen und Bezug genommen.