Rz. 438
Nach Auffassung des BGH obliegt dem Unterhaltsschuldner bei verschärfter Leistungspflicht grundsätzlich die Einleitung der Verbraucherinsolvenz, wenn und soweit dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt der minderjährigen Kinder insofern sicherzustellen, als der Unterhaltszahlung Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird. Allerdings muss die Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens dem Unterhaltsschuldner zumutbar sein. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unzumutbarkeit der Durchführung des Insolvenzverfahrens trägt der Unterhaltsschuldner.
Rz. 439
Da mit der Durchführung der Verbraucherinsolvenz durch den Unterhaltsschuldner auch Unsicherheiten hinsichtlich der damit für das Kind möglicherweise verbundenen Nachteile einhergehen, fordert der BGH stets die Abwägung der Vor- und Nachteile, die mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens verbunden sind.
Rz. 440
Wesentlicher Nachteil des Insolvenzverfahrens des Unterhaltsschuldners für den Unterhaltsgläubiger ist der Umstand, dass Unterhaltsrückstände zu Insolvenzforderungen werden und somit allein mit der Insolvenzquote befriedigt und von der Restschuldbefreiung erfasst werden (§§ 89 Abs. 2 Satz 2, 301 InsO).
Die Insolvenzmasse umfasst alle pfändbaren Gegenstände nach §§ 35, 36 InsO, die dem Schuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehören und die er während des Verfahrens erlangt. Wie bereits ausgeführt, sind rückständige Unterhaltsansprüche Insolvenzforderungen, die von der Restschuldbefreiung erfasst werden (§ 301 InsO). Künftige Unterhaltsforderungen können außerhalb der Insolvenzmasse gegen den (Unterhalts-)Schuldner selbst geltend gemacht werden (§§ 38, 40 InsO).
Rz. 441
Praxistipp
Wegen zukünftiger Unterhaltsansprüche kann der Unterhaltsgläubiger gegen den Unterhaltsschuldner vollstrecken, nämlich in den Teil seiner Einkünften, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist (§ 89 Abs. 2 Satz 2 InsO), nämlich in den Differenzbetrag zwischen der allgemeinen Pfändungsfreigrenze nach §§ 850a, 850c ZPO und dem unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt. Auf den auch für andere Gläubiger pfändbaren Teil darf der Unterhaltsgläubiger im Wege der Einzelvollstreckungsmaßnahme nicht zugreifen.
Rz. 442
Im Rahmen der vom BGH geforderten Abwägung der Vor- und Nachteile der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens kann man durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass die Nachteile des minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindes den Vorteil des Unterhaltsschuldners so sehr – z.B. bei entsprechend hohen Unterhaltsrückständen – überwiegen, dass dem Unterhaltsschuldner die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu versagen ist.