Rz. 770

Eltern schulden ihrem Kind im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten, nicht nur vorübergehenden Neigungen des Kindes am besten entspricht, ohne dass es auf ihren Beruf und ihre gesellschaftliche Stellung ankommt.[1020] Haben Eltern die ihnen hiernach obliegende Pflicht, ihrem Kind eine angemessene Ausbildung zu gewähren, in rechter Weise erfüllt, und hat das Kind einen Ausbildungsabschluss erlangt, dann sind sie ihrer Unterhaltspflicht aus § 1610 Abs. 2 in ausreichender Weise nachgekommen und grundsätzlich nicht verpflichtet, noch eine weitere zweite Ausbildung (Zweitausbildung) zu finanzieren, der sich das Kind nachträglich nach Beendigung der ersten Ausbildung unterziehen will.[1021] Das Kind trägt das Anstellungsrisiko hinsichtlich des erlernten Berufs alleine.[1022] Kann es nach Beendigung der Ausbildung keine seinem Ausbildungsabschluss entsprechende Stelle finden, so sind seine Eltern nicht zur Finanzierung einer neuen, wenn auch sinnvollen Ausbildung/Zusatzausbildung verpflichtet, erst recht nicht, wenn diese in einem nicht unerheblichen zeitlichen Abstand zum Abschluss der bisherigen Ausbildung beginnen soll.[1023]

 

Rz. 771

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur unter besonderen Umständen anzunehmen, etwa wenn dem Kind die angemessene Ausbildung versagt worden ist, weil die Eltern das Kind gegen seinen Willen in einen unbefriedigenden, seiner Begabung und Neigung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben, und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht,[1024] wenn sich nachträglich herausstellt, dass die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte, wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung des Kindes deutlich wurde, oder wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße Weiterbildung anzusehen ist, die von vornherein angestrebt war.[1025] In diesen Fällen haben die Eltern ihre Verpflichtung zur Finanzierung einer angemessenen Ausbildung noch nicht in rechter Weise erfüllt.[1026]

 

Rz. 772

 

Praxistipp

Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt umfasst eine nach Abschluss der Berufsausbildung durchgeführte Weiterbildungsmaßnahme nur, wenn diese vom ursprünglich geplanten Ausbildungsgang miterfasst ist.[1027]

[1020] BGH FamRZ 1977, 629 = FuR 2000, 92; FamRZ 2001, 1601 = FuR 2001, 529; OLG Köln FamRZ 1990, 310.
[1021] BGH FamRZ 1998, 671 = FuR 2000, 92; FamRZ 2001, 1601 = FuR 2001, 529; FG Münster EFG 2002, 1306.
[1022] OLG Hamm FamRZ 1990, 904; OLG Dresden OLG-NL 1994, 247; BSG FamRZ 1985, 1251.
[1023] OVG Münster FamRZ 1980, 515.
[1024] BGH FamRZ 1991, 322 = FuR 2000, 92.
[1025] BGH FamRZ 1977, 629 = FamRZ 1989, 853 = FuR 2000, 92; FamRZ 2001, 1601 = FuR 2001, 529.
[1026] BGH FamRZ 2000, 420 = FuR 2000, 92 m.w.N.; OLG Koblenz FamRZ 2001, 852.
[1027] OLG Rostock NJW-RR 2008, 1174.

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