Rz. 652

Der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern ergibt sich wie beim minderjährigen und privilegiert volljährigen Kind aus § 1601 (Deszendentenunterhalt). Die Eltern sind über die Vollendung des 18. Lebensjahres (Volljährigkeit) hinaus aufgrund der rechtlichen Verwandtschaft (§ 1589) aus dem Eltern-Kind-Verhältnis für das nun volljährige Kind unterhaltsrechtlich verantwortlich, auch wenn mit Eintritt der Volljährigkeit die elterliche Sorge endet. Die elterliche Sorge wandelt sich formal in eine rein finanzielle Sorge für das Kind.[852]

 

Rz. 653

Mit Vollendung des 18. Lebensjahrs erlangt das Kind Eigenständigkeit, die aber – noch – nicht zur vollständigen Lösung von den Eltern führt. Jedenfalls bleiben das – volljährige – Kind und seine Eltern aufgrund deren Verpflichtung zur finanziellen Sorge in Gegenseitigkeit verbunden. Diese Verpflichtung der Eltern gegenüber ihrem Kind erfährt durch § 1602 ("Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung") eine Einschränkung. Eine tatbestandliche Beschränkung des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes gegen seine Eltern im Rahmen des § 1601 gibt es hingegen nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, ist der Grund der Bedürftigkeit unerheblich.[853]

 

Rz. 654

Nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des § 1602 ist das volljährige Kind, sofern es sich nicht in Ausbildung befindet, vorrangig für sich selbst verantwortlich. Konsequenterweise steht daher dem volljährigen Kind gegen seine Eltern ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach nur zu, wenn es infolge bestimmter Umstände und Bedürfnislagen, wie Ausbildung, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Betreuung eigener Kinder, die Sicherung der eigenen Existenzgrundlage nicht gewährleisten kann.[854] Das volljährige Kind muss also bedürftig sein.

 

Rz. 655

Solange das Kind wirtschaftlich von seinen Eltern abhängig ist, richtet sich der Bedarf des Volljährigen – noch immer – nach den Lebensverhältnissen der Eltern. Der Lebensbedarf des volljährigen Kindes ist ebenfalls anhand der Düsseldorfer Tabelle und der Leitlinien zu ermitteln, außerdem kann sich Mehr- und Sonderbedarf ergeben.

 

Rz. 656

Im Unterhaltsrechtsverhältnis sind die Eltern und das volljährige Kind sich wechselseitig zur Rücksichtnahme verpflichtet, außerdem ergibt sich aus den § 1618a und § 242 im Rahmen des Ausbildungsunterhalts ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Eltern und Kind. Dessen Ausgestaltung wird im Rahmen der Darstellung des Ausbildungsunterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes beschrieben werden.

[852] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 481.
[853] BGH FamRZ 1985, 273.
[854] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 483.

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