Rz. 736
Der Unterhaltsanspruch eines Kindes umfasst auch die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (§ 1610 Abs. 2).
Rz. 737
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht bereits seiner Natur nach nur im Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern, nicht dagegen umgekehrt. Es kommt entscheidend auf die Anlagen und Fähigkeiten des Kindes und auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern an. Ausbildungsunterhalt für eine andere, bessere Ausbildung kann aber nicht allein deshalb verlangt werden, weil die Eltern für die Erstausbildung ihres Kindes keine oder nur geringe Kosten aufwenden mussten.
Rz. 738
Bemüht sich der Jugendliche um einen Ausbildungsplatz, muss er diese Zeit und die Zeit bis zum Beginn einer Ausbildung mit einer Beschäftigung überbrücken, weil es dem Kind zuzumuten ist, angesichts des absehbar endenden Schulbesuchs alsbald eine Ausbildungsstelle zu suchen und anzutreten.
Rz. 739
Hat ein volljähriges Kind seine allgemeine Schulausbildung abgeschlossen, dann trifft es bis zum Beginn der Ausbildung/des Studiums eine Erwerbsobliegenheit. Allerdings ist dem Kind nach Abschluss der Schulzeit, nicht jedoch zwischen der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres und der Aufnahme der Berufsausbildung, eine angemessene Erholungspause zuzubilligen. Die Dauer der Erholungspause richtet sich insb. nach dem Üblichen im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern. Nimmt das Kind nach Abschluss der Schulausbildung weder eine Berufsausbildung auf, noch weist es ausreichende Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nach, verletzt es nachhaltig seine Ausbildungsobliegenheit. Ist die Ausbildung beendet, endet auch das Recht auf Unterhalt. Das Kind ist nunmehr nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung (§ 1602 Abs. 1) gehalten, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Rz. 740
Praxistipp Schulausbildung
Der Begriff der allgemeinen Schulausbildung ist unter Heranziehung der zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach hat eine Eingrenzung des Begriffs in drei Richtungen zu erfolgen: Nach dem Ausbildungsziel, der zeitlichen Beanspruchung des Schülers und nach der Organisationsstruktur der Schule. Ein Berufspraktikum im Anschluss an die Fachhochschulreife ist keine allgemeine Schulausbildung, auch wenn der Zugang zur Fachhochschule das Absolvieren eines Praktikums voraussetzt.
aa) Begriff Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG
Rz. 741
Der Begriff Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ist nicht einheitlich zu verstehen, sondern erfährt eine unterschiedliche Auslegung entsprechend dem gesetzlichen Zusammenhang, in den er gestellt ist. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen hierbei alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme muss nicht in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sein. Die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern ist auch dann gemindert, wenn sich Kinder unabhängig von vorgeschriebenen Studiengängen in Ausbildung befinden und von ihren Eltern unterhalten werden.
Rz. 742
Die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres ist grundsätzlich keine Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG, wenn sie nicht der Vorbereitung auf eine konkret angestrebte Berufsausbildung dient, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl. Daraus folgt in der Regel, dass das Warten auf den Beginn des freiwilligen Dienstes regelmäßig nicht gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG kindergeldbegünstigt ist. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres grundsätzlich keine Berufsausbildung darstellt. Dies schließt allerdings nicht aus, dass ein solcher freiwilliger Dienst im Einzelfall auch der Vorbereitung auf ein konkretes Berufsziel, z.B. den Beruf des Sozialarbeiters, dient und auch einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt rechtfertigen kann, zumindest, wenn das freiwillige Jahr als Voraussetzung für die nachfolgende Berufsausbildung gefordert wird.
Rz. 743
Praxistipp
Die Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler stellt hingegen grundsätzlich eine Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG dar.
Rz. 744
Eine Vollzeiterwerbstätigkeit steht der Annahme einer Berufsausbildung dann nicht entgegen, wenn das volljährige Kind die Berufsausbildung trotz der Erwerbstätig...