Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 35
Nach § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB können Eltern eines unverheirateten Kindes bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus Unterhalt gewährt wird. Dabei muss auf die Belange des Kindes "gebotene Rücksicht" genommen werden.
Rz. 36
§ 1612 BGB regelt in Abs. 1 und 3 die Art der Unterhaltsgewährung, nämlich den Anspruch auf Barunterhalt und seine Ausnahmen sowie die Modalitäten der Erfüllung der Unterhaltsschuld und in Abs. 2 als Sonderregel das Recht der Eltern zur Bestimmung des Unterhalts. Dabei ist die Bestimmung allerdings nur dann wirksam, wenn auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen worden ist.
Rz. 37
Nimmt ein Kind den angebotenen Unterhalt nicht an, schließt dies einen Unterhaltsanspruch des Kindes aus, sofern eine wirksame Bestimmung vorgenommen worden ist. Bei der Frage der gebotenen Rücksicht auf die Belange des Kindes sind die Interessen der Eltern und des Kindes jeweils gegeneinander abzuwiegen.
Rz. 38
Die Unterhaltsbestimmung gegenüber einem minderjährigen Kind wird sich regelmäßig als Problem dann nicht stellen, wenn sich das Kind im Haushalt zusammenlebender Eltern befindet. Dann wird regelmäßig Naturalunterhalt bzw. Betreuungsunterhalt geleistet. Barunterhalt wird sich auf ein Taschengeld beschränken.
Rz. 39
Lebt das minderjährige Kind nicht im Haushalt der Eltern, wird sich der Anspruch auf Naturalunterhalt in einen Anspruch auf Barunterhalt verwandeln.
Rz. 40
Leben die Eltern voneinander getrennt oder sind sie geschieden und verfügen nicht mehr über einen gemeinsamen Haushalt, dann übt derjenige Elternteil das Bestimmungsrecht aus, der das Kind überwiegend betreut und es damit nach § 1629 Abs. 2 BGB vertritt.
Rz. 41
Solange das Kind nicht verheiratet ist, gilt die Möglichkeit der Unterhaltsbestimmung auch gegenüber einem volljährigen Kind. Das Bestimmungsrecht beruht insoweit die notwendige Rücksichtnahme des trotz seiner Volljährigkeit noch unterhaltsbedürftigen, unverheirateten Kindes auf seine Eltern.
Rz. 42
Die Abwägung, die hinsichtlich der Interessen der Eltern einerseits und derjenigen des Kindes andererseits notwendig ist, wird je nach Alter des volljährigen Kindes abgestuft gelöst werden müssen.
Rz. 43
Bei fortgeschrittenem Lebensalter sind geringere Anforderungen an die Verpflichtung des Kindes zur Anpassung zu stellen. Mit höherem Alter überwiegt das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung von Aufenthaltsort und Wohnsitz sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Umgekehrt kommt aber dem Willen des volljährigen Kindes über die Art seiner Lebensführung keine stärkere Bedeutung zu als dem Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des unterhaltspflichtigen Elternteils. Die wirtschaftlichen Interessen können daher eine erhebliche Rolle spielen.
Rz. 44
Bei der wechselseitigen Würdigung der Interessen aller Beteiligter ist das persönliche Verhältnis zwischen den Eltern und dem Kind von erheblicher Bedeutung. Ist beispielsweise eine Entfremdung des Kindes auf mangelhafte Erziehungsmaßnahmen, z.B. verbunden mit Schlägen und/oder Demütigungen, zurückzuführen, wird eine Bestimmung der Eltern oder eines Elternteils, die das Kind an die Eltern bindet, nicht wirksam sein können.
Rz. 45
Umgekehrt kann eine Entfremdung, die durch das eigene Verhalten des Kindes hervorgerufen worden ist, nicht zu einer Aushebelung des Rechts auf Unterhaltsbestimmung durch die Eltern führen.
Rz. 46
Einander widersprechende Bestimmungen der Eltern können natürlich schon dann unwirksam sein, wenn es dem Kind gar nicht möglich ist, beide Bestimmungen zu erfüllen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn jeder Elternteil die Bestimmung trifft, dass das Kind den Unterhalt in seinem Haushalt entgegenzunehmen hat.
Rz. 47
Grundsätzlich kann aber im Falle von Trennung und/oder Scheidung der Eltern jeder Elternteil, soweit er von einem volljährigen Kind in Anspruch genommen wird, unabhängig vom anderen das Bestimmungsrecht gem. § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB hinsichtlich der Art der Unterhaltsgewährung ausüben, also einseitig eine Bestimmung treffen, ohne dass der andere Elternteil mitwirken muss. Sind die Interessen des anderen Elternteils nicht berührt, muss diese einseitige Bestimmung hingenommen werden. Ebenso ist die Bestimmung von dem anderen Elternteil hinzunehmen, wenn ihm die Hinnahme im Rahmen der sonst erforderlich Interessenabwägung zuzumuten ist.
Rz. 48
Insgesamt ist von den Eltern eine wirksame Bestimmung getroffen, wenn sie
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nicht rechtsmissbräuchlich ist, |
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den gesamten Lebensbedarf des Kindes umfasst, |
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aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auch erreichbar bzw. durchführbar ist und |
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für den anderen Elternteil und/oder das Kind zumutbar ist. |
Rz. 49
Rechtsmissbräuchlich ist eine Unterhaltsbestimmung, wenn Eltern beispielsweise jahrelang den Auszug des Kindes zu dessen Großmutter hingenommen haben und nunmehr ohne Darlegung von Gründen die Rückkehr des Kindes in den elterlichen Haushalt verlangen.
Rz. 50
Der gesamte Leb...