Rz. 215

Das Abstammungsrecht ist in jüngerer Zeit mehrfach modifiziert worden.

Durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) vom 16.12.1997 wurde zum 1.7.1998 etwa die Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung beseitigt. Regelungen über die Vaterschaft finden sich seither im Wesentlichen in den §§ 1592 und 1593 BGB.

Auch wurde die Vaterschaftsanfechtung über § 1599 Abs. 1 BGB einheitlich ausgestaltet, während nach früherem Recht entweder die Ehelichkeit des Kindes oder die Anerkennung der Vaterschaft angefochten wurde.

 

Rz. 216

Auch die Voraussetzungen für die Vaterschaft des Ehemannes (§ 1592 Nr. 1 BGB) wurden deutlicher gefasst.

Galt nach früherem Recht ein Kind auch dann als Kind des Ehemannes, wenn die Ehe geschieden und das Kind binnen 302 Tagen nach Auflösung der Ehe geboren wurde, kommt es nunmehr ausschließlich auf das (Noch-)Bestehen der Ehe zum Zeitpunkt der Geburt an. In Ausnahme dazu sieht allerdings § 1593 BGB vor, dass bei Auflösung der Ehe durch Tod ein Kind auch dann als eheliches Kind gilt, wenn das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehegatten geboren wird.

 

Rz. 217

Weitere Lockerungen der Ehegatten-Vaterschaft sieht das Gesetz in § 1599 Abs. 2 BGB vor. Danach gilt auch dann die Vaterschaft des Ehemannes nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt.

 

Rz. 218

Im Hinblick auf die Fortschritte der Fortpflanzungsmedizin hat das KindRG ferner eine Regelung über die Mutterschaft eingeführt (§ 1591 BGB).

Das Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9.4.2002, in Kraft seit dem 12.4.2002, beseitigte zunächst ein vermeintliches Redaktionsversehen für den Fall der Vaterschaftsanerkennung. Die Anerkennung der Vaterschaft bedarf der Zustimmung der Mutter, § 1595 Abs. 1 BGB.

Während nun der geschäftsunfähige Vater die Vaterschaft über seinen gesetzlichen Vertreter anerkennen konnte, fehlte für die Zustimmungserklärung der geschäftsunfähigen Mutter eine entsprechende Vorschrift.[222]

 

Rz. 219

Zentral ist aber die Einfügung eines § 1600 Abs. 2 BGB, heute Abs. 4, durch den bei Zustimmung des Ehemannes im Falle einer konsentierten heterologen Insemination die Anfechtung der Vaterschaft sowohl durch die Mutter als auch durch den Vater ausgeschlossen ist.[223]

 

Rz. 220

Die jüngste Änderung hat das Abstammungsrecht durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften für die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23.4.2004[224] erfahren.

Die Änderung fußt auf einer Entscheidung des BVerfG vom 9.4.2003,[225] nach der der Gesetzgeber verpflichtet war, die Stellung des biologischen Vaters für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu verbessern. Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber durch die Regelung eines eigenen Anfechtungsrechts des biologischen Vaters nachgekommen, vgl. § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

 

Rz. 221

2008[226] ist es zu einer weiteren Gesetzesänderung gekommen durch das "Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft".[227]

Die entscheidende Änderung/Ergänzung besteht darin, dass der Kreis der Anfechtungsberechtigten in einer Zif. 5 des § 1600 Abs. 1 BGB erweitert worden ist um

"die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2".[228]

Es wird damit einem Träger öffentlicher Belange (wieder) das Recht eingeräumt, gegen offensichtlich missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen einzuschreiten.

Dass es dafür einen Bedarf gibt, zeigt eindrucksvoll der Bericht über den in Paraguay lebenden Deutschen, der dort und anderswo die Vaterschaft zu hunderten ausländischer Kinder anerkannt hat, um diesen damit die deutsche Staatsangehörigkeit und deutsche Sozialleistungen zu verschaffen.[229]

 

Rz. 222

Nach den Ermittlungen der Presse handelte es sich keineswegs um einen Einzelfall. Osteuropäische Kriminelle ließen Helfer in Berliner "Kneipen" nach Sozialhilfeempfängern Ausschau halten, die dann überredet werden, für Beträge zwischen 1.000 EUR und 2.000 EUR die Vaterschaft zu einem Kind aus deren Ländern anzuerkennen.[230] Geschädigt wird dadurch der Staat, da von den Anerkennenden keine Unterhaltszahlungen zu erwarten sind.

 

Rz. 223

Möglich wurde dieser Missbrauch durch die Gesetzesänderung von 1998. Bis zum Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetz am 1.7.1998 musste das Kind jeder Anerkennung zustimmen. Vertreten wurde es dabei vom Jugendamt als Amtspfleger. Mit der Reform wurde die Zustimmung des Kindes durch die Zustimmung der Mutter ersetzt, damit zugleich der Kontrollmöglichkeit durch das Jugendamt entzogen.

 

Rz. 224

Die Begründung lag in der Stärkung der Elternautonomie. Unwahre Vaterschaftsanerkennungen nahm man in Kauf, weil man nur an Fälle dachte, in denen durch eine "Gefälligkeitsanerkennung" ein Kind in eine Familie aufgenommen wird und damit als "Kind der Familie" aufwächst, ohne biologisch mit dem "Vater" verwandt zu sein. Der Missb...

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