Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 81
Kinder trifft eine Ausbildungsobliegenheit, Eltern trifft die Obliegenheit, Kindern eine angemessene Ausbildung zu ermöglichen und zwar im wirtschaftlich zumutbaren Rahmen.
Geschuldet wird grundsätzlich auch lediglich eine einzige Ausbildung. Eltern sind nicht verpflichtet, eine weitere Ausbildung zu finanzieren, der sich das Kind anschließend unterziehen will.
Rz. 82
Anders ist dies in Ausnahmefällen, in denen beispielsweise
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das Kind in eine nicht seiner Neigung und Begabung entsprechenden Ausbildung gedrängt worden war, |
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zwischen Abitur und Studium eine praktische Ausbildung (Lehre) geschaltet wird, |
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bei sog. Spätentwicklung des Kindes, es sei denn, das Kind hat nach Abschluss der Erstausbildung bereits längere Zeit gearbeitet und dadurch eine eigene Lebensstellung erlangt, |
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ausnahmsweise schwierige häusliche Verhältnisse, z.B. aufgrund Trennung und Scheidung der Eltern mit dadurch eintretender Entwicklungsstörung des Kindes, |
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Notwendigkeit eines Berufswechsels aus gesundheitlichen Gründen, beispielsweise einer Allergie bei einer Frisörin. |
Rz. 83
Die Berufsausbildung muss den Eltern wirtschaftlich auch zumutbar sein. Bei beengten Verhältnissen muss eine aufwändige Ausbildung nicht unbedingt finanziert werden, da nach dem Prinzip gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen Eltern und Kindern eventuell eine weniger kostspielige Ausbildung gewählt werden muss.
Nach dem Gegenseitigkeitsprinzip ist nämlich das Kind umgekehrt verpflichtet, die Ausbildung nicht nur zielstrebig zu gestalten, sondern auch zeitlich in einer Weise, dass die Eltern sobald als möglich entlastet werden.
Dabei kann auch ein minderjähriges Kind, das beispielsweise mangels Leistungswillen keinen Hauptschulabschluss erreicht hat, zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet sein.
Rz. 84
Diese Rücksichtnahme aus dem Gegenseitigkeitsprinzip betrifft vor allem ggf. kostspielige Ausbildungsorte, im Studienfall auch solche Universitäten, bei denen hohe Studiengebühren anfallen. Sind gleichwertige Studienorte vorhanden, bei denen keine oder nur wesentlich geringere Kosten und Gebühren entstehen, hat das Kind die Ausbildung an einem für die Eltern finanziell günstigeren Ort zu absolvieren.
Rz. 85
Das Gegenseitigkeitsprinzip prägt auch die Ausbildungsverpflichtung des Kindes.
Während die Eltern verpflichtet sind, eine pflichtbewusste und zielstrebig betriebene Ausbildung ihres Kindes in angemessener und üblicher Zeit durch angemessene Unterhaltszahlung zu finanzieren, ist das Kind verpflichtet,
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eine angemessene, |
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seine Fähigkeiten und seiner Begabung, |
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seinen Neigungen und seinem Leistungswillen entsprechende |
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ordnungsgemäße Ausbildung |
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zügig zu beginnen und |
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mit gehörigem Fleiß, gebotener Zielstrebigkeit und entsprechender Disziplin |
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in angemessener und üblicher Zeit zu beenden und |
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die Eltern entsprechend ausbildungsbezogen über den Ausbildungsfortgang zu informieren. |
Rz. 86
Wird vom Kind keine Ausbildung begonnen oder wird die Ausbildungsobliegenheit verletzt, entfallen Unterhaltsverpflichtungen der Eltern.
Überhaupt keine Ausbildung wird beispielsweise begonnen, wenn nach dem Schulabschluss, z.B. dem Abitur, zunächst eine Weltreise unternommen wird, aber auch wenn ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolviert wird.
Letzteres kann ausnahmsweise dann zu einer Unterhaltspflicht der Eltern führen, wenn das freiwillige soziale oder ökologische Jahr der Vorbereitung auf eine konkret angestrebte Berufsausbildung dient. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. Im Einzelfall kann ein solches Jahr aber z.B. den Beruf des Sozialarbeiters vorbereiten und einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt rechtfertigen.
Rz. 87
Zügiges Absolvieren der Ausbildung bedeutet nicht, dass etwa bei Ableistung eines Studiums auf die Mindeststudiendauer abgestellt werden darf. Es ist diejenige Zeit anzusetzen, innerhalb derer ein durchschnittlicher Student bei angemessener Anstrengung den Studienabschluss erreichen kann. Einen Anhaltspunkt für die Unterhaltsverpflichtung der Eltern bietet die Höchstförderungsdauer nach § 15a BAföG.
Rz. 88
Die höchste Förderungsdauer orientiert sich an der Regelstudienzeit nach dem Hochschulrahmengesetz (HRG). Danach beträgt die Regelstudienzeit beim Bachelor-Studium drei bis vier Jahre, beim Master-Studiengang weitere ein bis zwei Jahre und bei klassischen Studiengängen mit Staatsexamen, z.B. bei Rechtswissenschaften, fünf Jahre, § 19 HRG. Verlängerungen kommen lediglich bei schuldunabhängigen Verzögerungen in Betracht wie Krankheit, bei Problemen, die aus der Erziehung der Eltern resultieren oder bei sonstigen schwierigen Umständen in der Ausbildung selbst.
Rz. 89
Kann sich das Kind nicht vollzeitlich dem Studium widmen, weil Eltern beispielsweise ihrer Unterhaltspflicht nicht oder nur zögerlich nachkommen, ist ebenfalls von einer unverschuldeten Verlängerung des Ausbildungsgangs auszugehen.
Rz. 90
In Fällen, in denen die Aufnahme eines weiteren Studienfac...