Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 206
Nach § 1606 Abs. 2 BGB haften unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linien die näheren vor den entfernteren. Dies bedeutet, dass im Falle einer Haftung der Eltern eine Eintrittspflicht der Großeltern gerade nicht gegeben ist.
Rz. 207
Sollen Großeltern haften, sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich.
Großeltern haften nur dann, wenn vorrangig unterhaltspflichtige Personen, also die Eltern, nicht oder nicht in vollem Umfang für den Gesamtbedarf eines Kindes in Anspruch genommen werden können, §§ 1606 Abs. 2, 1607 BGB.
Eine solche Situation ist gegeben, wenn die Eltern als vorrangig verpflichtete Verwandte nicht leistungsfähig sind, § 1607 Abs. 1 BGB. Dieser Haftung steht die Situation gleich, in der zwar die Eltern eigentlich leistungsfähig sind, die Rechtsverfolgung gegen solche Eltern im Innenland jedoch entweder ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist.
Rz. 208
Ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist die Rechtsverfolgung, wenn deutsche Gerichte nicht zuständig sind, wenn nicht festgestellt ist, wer eigentlich Vater des Kindes ist, wenn die Vollstreckung durch Wohnungswechsel oder Strafhaft unmöglich ist und schließlich, wenn die Zurechnung fiktiver Einkünfte nicht zum Ziel führt, weil die Vollstreckung ohne Ergebnis bleiben muss.
Ist auf diese Weise eine Eigenhaftung oder eine Ersatzhaftung der Großeltern gegeben, richten sich die Ansprüche gegen alle vier unterhaltspflichtigen Großeltern, soweit diese noch leben.
Rz. 209
Dabei ist nicht von Bedeutung, ob etwa ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes genügt. Da das verwandtschaftliche Verhältnis entscheidend für die Haftung nach § 1607 BGB ist, stehen alle vier Großeltern gleichrangig in der Haftung.
Ist der Bedarf des Kindes vorhanden und besteht keine Bedarfsdeckung durch Unterhaltsvorschuss oder durch Sozialhilfe, durch Vermögenseinsatz und/oder BAföG, ist die Haftung der Großeltern gegeben. Die Leistungsfähigkeit der Großeltern ist allerdings Voraussetzung für die Haftung.
Rz. 210
Großeltern haften sodann nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen für den Unterhaltsbedarf des Enkelkindes, § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB.
Eine besondere Schwierigkeit hinsichtlich der Haftung "nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen" liegt darin, dass es hier nicht nur um die Haftung der Großeltern mit ihrem Einkommen geht, sondern auch eventuell bei den Großeltern vorhandenes Vermögen für die anteilige Haftung einzusetzen ist.
Rz. 211
Hauß weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass beim Enkelunterhalt ein Vermögen nur auf die voraussichtliche Unterhaltsdauer verteilt werden kann. Regelmäßig kann man aber nicht davon ausgehen, dass mit Erreichen der Volljährigkeit die Unterhaltsbedürftigkeit des Enkelkindes endet.
Es stellt sich dann in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit, dass auf der einen Seite die Finanzierung einer angemessenen Berufsausbildung geschuldet wird und daher ein Unterhaltszeitraum von 20 bis 25 Jahren angenommen werden muss, andererseits aber auch bei einem Vermögenseinsatz der Großeltern anhand von Sterbetafeln ggf. zu ermitteln ist, ob der Zeitraum des Vermögenseinsatzes die gesamte Bedarfszeit des Enkels umfasst.
Rz. 212
Im Falle einer Ersatzhaftung normiert § 1607 Abs. 2 BGB sodann einen gesetzlichen Forderungsübergang auf den leistenden Verwandten und räumt diesem einen Ersatzanspruch gegen den vorrangig Verpflichteten ein.