Rz. 183

Es ist in Literatur und Rechtsprechung außerordentlich umstritten, wie die Aufteilung des Kindergeldes beim Wechselmodell erfolgt.[197]

Es wird die Auffassung vertreten, dass dem einkommensschwächeren Elternteil ein seinem Einkommen entsprechender Prozentsatz angerechnet wird.[198] Würde sich der entsprechende Elternteil wegen seines geringeren Einkommens lediglich mit z.B. 20 % am Unterhalt beteiligen, würde dem betreffenden Elternteil auch lediglich ein Anteil von 20 % vom Kindergeld, mithin 43,80 EUR (219 EUR x 20 %) zustehen. Eine solche Lösung führt allerdings nicht zu tragbaren Ergebnissen, da bei einem Wechselmodell beide Elternteile in gleicher Weise die Betreuung vornehmen.

 

Rz. 184

Näher kommt dieser Berücksichtigung des Betreuungsanteils eine Berechnungsform, bei der das Kindergeld in die übrige Barunterhaltsaufteilung einbezogen wird. Dabei wird das Kindergeld unter Anwendung von § 1612b Abs. 1 S. 2 BGB ganz[199] oder zur Hälfte[200] bei der einkommensabhängigen Quotelung des Barunterhalts nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB abgezogen. Wegen der gleichen Betreuungszeit der Eltern wird das Kindergeld hinsichtlich der Barunterhaltshaftung hälftig und hinsichtlich der Versorgungsleistungen mit voller Anrechnung einbezogen.

 

Rz. 185

Während die ausschließliche Berücksichtigung der Barunterhaltsbeteiligung zu einer unangemessenen Benachteiligung des einkommensschwächeren Elternteils führt, bezieht die zweite Variante mit der Aufteilung in Bar- und Betreuungsanteil zumindest den Wert der erfolgenden Betreuung mit ein.

 

Rz. 186

Beide Varianten sind nach diesseitiger Auffassung jedoch abzulehnen. Sowohl die ausschließliche Bemessung an der Barunterhaltsbeteiligung als auch die gesplittete Bemessung an Bar- und Betreuungsleistungen berücksichtigt nicht, dass Eltern über den vorzunehmenden Barunterhaltsausgleich hinaus Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringen, die einen weitergehenden Kindergeldausgleich nahelegen.

 

Rz. 187

Der Zweck des Kindergeldausgleichs liegt nicht in einer Verteilung unter den Eltern nach den Einkommensunterschieden, sondern soll die beiderseits erbrachten Betreuungs- und Versorgungsleistungen nach ihrer Gesamtleistung und damit hälftig, ausgleichen.[201] Danach ist das Kindergeld beim Wechselmodell wie folgt zu berechnen:

 

Rz. 188

 

Rechenbeispiel

Berechnung des Kindesunterhalts im Wechselmodell[202]

Sockelbetrag: angemessener Selbstbehalt; Vom Kindergeld erhalten die Eltern jeweils die Hälfte des Gesamtbetrages:

Bereinigtes Einkommen Kindesvater M: 3.000 EUR

Bereinigtes Einkommen Kindesmutter F: 2.500 EUR

K, 13 Jahre alt, wird im Wechselmodell betreut,

Bedarf der Kinder nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern 5.500 EUR (3.000 EUR + 2.500 EUR).

Einsetzbares Einkommen:

 
M: 3.000 EUR – 1.400 EUR (angemessener Selbstbehalt) = 1.600 EUR
F: 2.500 EUR – 1.400 EUR = 1.100 EUR
Gesamtes einsetzbares Einkommen:  
1.600 EUR + 1.100 EUR = 2.700 EUR
Unterhalt K:  
Bedarf 896 EUR[203] – 219 EUR volles Kindergeld = 677 EUR
Anteil M: 677 EUR X 1.600 EUR : 2.700 EUR = 401 EUR
Anteil F: 677 EUR X 1.100 EUR : 2.700 EUR = 276 EUR

Ausgleichszahlung:

401 EUR – 276 EUR = 125 EUR von M an F zu zahlen.

Bezieht man den – hälftigen – Kindergeldanspruch ausschließlich auf den zu leistenden Barunterhalt, stünde der F statt des Betrages von 209,50 EUR (219 EUR : 2) lediglich der (Teil-)Betrag von 75,37 EUR (219 : 2 x 276 : 401) zu.[204]

Um sich nicht wegen der unterschiedlich beurteilten Anrechnung des Kindergeldes ggf. streitig auseinander zu setzen, erscheint es sinnvoll, die Berechnung des Kindergeldes in eine Vereinbarung mit aufzunehmen.

 

Rz. 189

Die – nicht beurkundungspflichtige – Kernformulierung könnte wie folgt lauten:

Muster 2.17: Vereinbarung hälftiger Anrechnung des Kindergeldes

 

Muster 2.17: Vereinbarung hälftiger Anrechnung des Kindergeldes

1. Wir vereinbaren im Hinblick auf die Einrichtung des Wechselmodells, dass der Kindesvater zur Ausgleichung gegenseitiger Ansprüche wegen wechselnder Betreuung des Kindes eine monatliche Ausgleichszahlung für Kindesunterhalt in Höhe von 125 EUR vornimmt, jeweils im Voraus bis zum 1. eines Monats zu zahlen. Wir stellen hierzu ausdrücklich fest, dass das Kindegeld hälftig an jeden Elternteil auszukehren ist.
2. Von weitergehenden Unterhaltsansprüchen hinsichtlich K stellen wir uns wechselseitig frei.
3. Die Höhe des Differenzbetrages ergibt sich aus der dieser Vereinbarung als Anlage beigefügten Berechnung.
[197] Vgl. insgesamt Wohlgemuth, FamRZ 2015, 808.
[198] Schürmann in: Sünderhauf/Willutzki u.a., Vom starren Residenzmodell zum individuellen Wechselmodell, Schriftenreihe der IFUV, Bd. 7, 2013, S. 53, 60.
[199] Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 450.
[200] Bausch/Gutdeutsch/Seiler, FamRZ 2012, 258; Wohlgemuth, FPR 2013, 157.
[201] So zu Recht Wohlgemuth, FamRZ 2015, 808; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 567 = FuR 2014, 243 m. Anm. Viefhues S. 244; Wohlgemuth, FamRZ 2014, 84; Jokisch, FuR 2014, 25; OLG Schleswig FamRZ 2015, 965: "Beim echten Wechselmodell steht den Kindeselt...

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