Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 662
Allgemeine Urlaubsgrundsätze sind die betrieblichen Richtlinien, nach denen der Urlaub im Einzelfall gewährt oder – wie z.B. in Saison- und Kampagnenbetrieben – nicht gewährt werden darf oder soll. Hierzu gehört vor allem die generelle Entscheidung, ob der Erholungsurlaub von den Arbeitnehmern während des ganzen Jahres genommen werden kann oder während einer bestimmten Urlaubsperiode bzw. der zu diesem Zweck erfolgten Schließung des Betriebs (Betriebsferien) genommen werden muss. Auch können für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern Urlaubszeiten festgelegt werden. So ist beispielsweise für die Zeit eines Schlussverkaufs eine Urlaubssperre wegen dringender betrieblicher Belange denkbar.
Es kann geregelt werden, ob der Erholungsurlaub unter Berücksichtigung des § 7 Abs. 2 und 3 BUrlG zusammenhängend genommen werden muss oder wie er auf das Urlaubsjahr verteilt bzw. auf das nächste Urlaubsjahr übertragen werden darf. Im Übrigen sind die Betriebsparteien an das Gebot der Wunschberücksichtigung in § 7 Abs. 1 BUrlG gebunden. Dazu gehört, dass Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern den Erholungsurlaub bevorzugt während der Schulferien erhalten. Auch Lebensalter, Familienstand und Berufstätigkeit des Ehegatten können berücksichtigt werden. Rechtswirksam eingeführte Betriebsferien begründen aber nach Ansicht des BAG individualrechtlich dringende betriebliche Belange, hinter denen nach § 7 Abs. 1 BUrlG die individuellen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zurückstehen müssen.
Ferner zählt zu den allgemeinen Urlaubsgrundsätzen auch das Verfahren zur Festlegung des Urlaubs sowie Regelungen über die gegenseitige Vertretung.
Zu beachten ist, dass sich (insbesondere) in jüngerer Vergangenheit eine komplexe Kasuistik zum Verfall von Urlaubsansprüchen gebildet hat. Nach der Rechtsprechung des BAG vom 19.2.2019 verfällt – in richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG – ein Urlaubsanspruch nur noch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die ihm zustehenden Urlaubsansprüche informiert und ihn rechtzeitig dazu aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Zudem muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilen, dass der Urlaub andernfalls verfällt. Die Beweislast für die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten trägt der Arbeitgeber. Dafür reicht jedoch die abstrakte Information im Rahmen einer Betriebsvereinbarung nicht aus, so dass Gegenstand einer Betriebsvereinbarung über allgemeine Urlaubsgrundsätze allenfalls der Hinweis über die zusätzlichen – individuell vorzunehmenden – Unterrichtungsverpflichtungen des Arbeitgebers sein sollte. Das BAG hat – mit Urt. v. 26.4.2022 – ausdrücklich klargestellt, dass diese Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit auch in Hinblick auf den Zusatzurlaub schwerbehinderter Personen gilt.
Im Fall durchgehender Arbeitsunfähigkeit gilt nach dem BAG ein eigenes Fristenregime: In unionsrechtskonformer Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt – auch ohne arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Regelung – der Urlaubsanspruch spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Auf eine Mitteilung bzw. eine Aufforderung kommt es hier grundsätzlich nicht an. Dennoch sollten Arbeitgeber auf den konkret bestehenden Resturlaubsanspruch hinweisen und den Arbeitnehmer auffordern, seinen Resturlaub zu nehmen. Aus Beweisgründen sollten Hinweise und Aufforderungen schriftlich dokumentiert und aufbewahrt werden.
Das BAG stellte klar, dass die Grundsätze zu Langzeiterkrankungen nicht gelten, wenn ein Arbeitnehmer seinen Urlaub aufgrund einer (kurzzeitigen) Erkrankung nicht nehmen konnte, bis er in die Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell wechselt. Nimmt also ein Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber eine Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart hat, erst kurz vor dem Wechsel in die Altersteilzeit seinen Urlaubsanspruch wahr, so verfällt sein Urlaubsanspruch nicht im 15-Monatszeitraum.
Gegenstand allgemeiner Urlaubsgrundsätze ist dagegen nicht die Anrechnung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaubsanspruch gemäß § 4a EFZG. Denn materiell rechtlich handelt es sich hierbei um einen Verzicht des Arbeitnehmers auf den Urlaubsanspruch, der nicht der Mitbestimmung unterliegt.