Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 778
Bevor sich der BR gegenüber dem Arbeitgeber zur Kündigung äußert, muss er einen entsprechenden Beschluss fassen (§ 33 BetrVG). Dieser Beschluss umfasst das Ob und das Wie der Stellungnahme. Das Gesetz schreibt insoweit keine bestimmte Vorgehensweise im Vorfeld der Beschlussfassung vor; insbesondere ist der BR auch nicht etwa verpflichtet, den zu kündigenden Arbeitnehmer anzuhören; zwar soll er dies tun, § 102 Abs. 2 S. 4 BetrVG, ein etwaiges Unterlassen macht die Anhörung jedoch nicht unwirksam. Ebenso wenig kann der betroffene Arbeitnehmer verlangen (oder gar einklagen), dass der BR tätig wird. Da die Stellungnahme nicht formgebunden ist, kann sich der BR mündlich oder schriftlich zu der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers äußern.
Rz. 779
Ist der BR für die Dauer der Anhörungsfrist beschlussunfähig, kommt entsprechend § 22 BetrVG dem Rest-BR das Beteiligungsrecht zu.
Rz. 780
Jede Äußerung des BR vor Ablauf der Frist ist danach auszulegen, ob sie eine abschließende Stellungnahme darstellen soll mit der Folge, dass der Arbeitgeber auch bereits vorzeitig kündigen könnte. Die Auslegung erfolgt nach den Auslegungsregeln für Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB). Für die Annahme einer vorfristig abgegebenen verfahrensbeendenden Äußerung bedarf es "besonderer Anhaltspunkte". Stimmt der BR der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zu, erklärt er, gegen die Kündigung keine Bedenken zu haben oder widerspricht er ihr mit näherer Begründung, kann der Arbeitgeber aufgrund dieser besonderen Umstände davon ausgehen, dass der BR keine weitere Erörterung der Angelegenheit wünscht. In diesem besonderen Fall muss er den Ablauf der verbleibenden gesetzlichen Anhörungsfrist nicht abwarten, sondern kann – sofern er dies auch nach Kenntnisnahme der Äußerung des BR noch beabsichtigt – die Kündigung erklären. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn der Arbeitgeber aus der Mitteilung des Betriebsrats entnehmen konnte, der Betriebsrat wünsche keine weitere Erörterung des Falles. Keine abschließende Stellungnahme ist richtigerweise in der mündlichen Äußerung des BR-Vorsitzenden gegenüber dem Arbeitgeber zu sehen, der BR habe gegen die Kündigung Bedenken und beabsichtige, diese noch schriftlich mitzuteilen. Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg ist selbst dann, wenn der BR-Vorsitzende dem Arbeitgeber – ohne den Anhörungsbogen zurückzureichen – mitteilt, der BR habe über die Kündigungsabsicht abschließend beraten und "werde" ihr nicht widersprechen, gerade keine Erklärung dahingehend abgegeben worden, dass der BR nicht doch noch bis zum Ablauf der Anhörungsfrist widersprechen wird; er habe nicht erklärt, dass der BR der Kündigung (jetzt) nicht widerspreche. Auch wenn diese Auslegung (übertrieben) "spitzfindig" erscheint, verdeutlicht sie doch das Dilemma des Arbeitgebers, der beim Ausspruch einer Kündigung vor Abschluss des Anhörungsverfahrens allein das Risiko der richtigen Einschätzung der Rechtslage trägt. Im Zweifel, sofern nicht einfach das Verstreichenlassen der vollen Anhörungsfrist in Betracht kommt (beispielsweise wegen Versäumung einer Quartalskündigungsfrist oder gar drohender Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB), sollte der Arbeitgeber daher beim BR nachfragen, ob seine Äußerung als abschließende Antwort zu verstehen ist. Dies gilt etwa bei der (vorfristigen) Mitteilung des BR, er lasse die Frist (gegebenenfalls ohne Stellungnahme) verstreichen, oder er nehme die Kündigung zur Kenntnis.