Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 520
Im Falle der Einleitung eines Kündigungsschutzprozesses hat die dem Arbeitgeber gesetzlich auferlegte Pflicht zur Durchführung eines BEM Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Rz. 521
Wurde ein BEM zwar ordnungsgemäß durchgeführt, hat es aber zu einem negativen Ergebnis geführt, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast, wenn er diesen Umstand darlegt und vorträgt, dass es keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten gebe. In diesem Fall sei es dann Sache des Arbeitnehmers, im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass es entgegen dem Ergebnis des BEM weitere Alternativen gebe, die entweder dort trotz ihrer Erwähnung nicht behandelt worden seien oder sich erst nach dessen Abschluss ergeben hätten. Der Arbeitnehmer muss sämtliche Alternativbeschäftigungsmöglichkeiten zum Zeitpunkt der BEM-Durchführung einbringen. Der Verweis auf nicht behandelte Alternativen als Folge eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM ist grundsätzlich ausgeschlossen, vielmehr muss der Arbeitnehmer diese in das BEM einbringen
Rz. 522
Hat der Arbeitgeber entgegen der ihm gesetzlich auferlegten Pflicht kein BEM durchgeführt, darf er sich nach der Auffassung des BAG hierdurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen. Er könne sich dann nicht darauf berufen, er kenne keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze. Vielmehr habe der Arbeitgeber von sich aus denkbare oder von dem Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden. Erst dann müsse der Arbeitnehmer sich hierauf substantiiert einlassen und darlegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstelle. Beweist der Arbeitgeber hingegen, dass ein BEM objektiv nutzlos gewesen wäre, dann führt ein fehlendes BEM nicht zu den o.a. Konsequenzen. Das BAG stellt jedoch hohe Anforderungen an die objektive Nutzlosigkeit und stellt klar, dass die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI nicht ausreichend sei.
Rz. 523
Hat ein BEM stattgefunden und zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die empfohlene Maßnahme – soweit dies in seiner alleinigen Macht steht – vor Ausspruch einer Kündigung als milderes Mittel umzusetzen. Kündigt er ohne sie umgesetzt zu haben, muss er im Einzelnen und konkret darlegen, warum die Maßnahme entweder trotz Empfehlung undurchführbar war oder selbst bei einer Umsetzung diese keinesfalls zu einer Vermeidung oder Reduzierung von Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätte. Dem wird der Arbeitnehmer regelmäßig mit einem einfachen Bestreiten entgegentreten können. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die alternative Beschäftigung durchzuführen, wenn die Durchführung des BEM ergeben hat, dass die vom Arbeitnehmer vorgebrachte alternative Beschäftigungsmöglichkeit keine Aussicht auf eine störungsfreie Beschäftigung verspricht.
Rz. 524
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das BAG vom Arbeitnehmer eine Einwilligung oder Initiative des Arbeitnehmers verlangt, wenn dies zur Umsetzung einer Empfehlung aus dem BEM erforderlich ist. Hierzu kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch eine angemessene Frist setzen und ggf. nach ergebnislosem Fristablauf das Arbeitsverhältnis kündigen, wenn er auf diesen Umstand zuvor hingewiesen hat.