Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 822
Seinen Anspruch auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht muss der Arbeitgeber mit einem eigenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG geltend machen (Muster hierzu siehe unten § 3 Rdn 617). Zuständig ist das Gericht der Hauptsache. Das heißt, es handelt sich nicht lediglich um einen Einwand des Arbeitgebers im Urteils- oder einstweiligen Verfügungsverfahren des Arbeitnehmers gerichtet auf Durchsetzung des Anspruchs auf Weiterbeschäftigung bzw. auf Vollstreckung aus einem entsprechenden Titel, sondern nach h.M. muss der Arbeitgeber die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht selbst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erwirken. Nach anderer Auffassung kann der Arbeitgeber sein Verlangen auch im einstweiligen Verfügungsverfahren des Arbeitnehmers auf Beschäftigung einredeweise geltend machen, ebenso im Berufungsverfahren gegen eine erlassene einstweilige Verfügung. Dagegen dürfte aber Wortlaut des § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG sprechen, der insoweit einen Antrag des Arbeitgebers auf Erlass der einstweiligen Verfügung verlangt. Der Eilantrag des Arbeitgebers kann aber als Gegenantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren des Arbeitnehmers geltend gemacht werden, dies allerdings nur während der ersten Instanz und nicht erstmals im Berufungsverfahren des Arbeitnehmers. Insbesondere fehlt es einem solchen Widerantrag nicht am Rechtsschutzbedürfnis, weil sowohl die Zurückweisung des Weiterbeschäftigungsantrags als auch des Entbindungsantrags möglich ist.
Der Arbeitgeber kann den Entbindungsantrag auch schon stellen, bevor der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat, wenn diese zu erwarten ist; dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung, die Rechte des Arbeitgebers möglichst schnell durchzusetzen und auch der Wortlaut des § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG steht dem nicht entgegen. Allerdings muss der Entbindungsgrund bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Umgekehrt ist der Entbindungsantrag auch noch während des Weiterbeschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sich erst später ein Entbindungsgrund ergibt.
Rz. 823
Im Verfahren des Arbeitnehmers auf Durchsetzung seines betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs kann sich der Arbeitgeber nur auf Gründe berufen, die das Entstehen dieses Anspruchs verhindern. So kann er sich auf den nicht form- oder fristgerechten BR-Widerspruch berufen, auf Mängel in der Beschlussfassung des BR, fehlendes (rechtzeitiges) Verlangen der Weiterbeschäftigung oder auf die Unmöglichkeit der Erfüllung durch endgültigen Wegfall des Arbeitsplatzes. Letztere kann der Arbeitgeber im Zwangsvollstreckungsverfahren des Arbeitnehmers nur noch geltend machen, wenn die Unmöglichkeit erst nach Rechtskraft der Entscheidung eingetreten ist. Die Gründe für die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG kann der Arbeitgeber indes nur im Rahmen des von ihm angestrengten Entbindungsverfahrens vorbringen, gegebenenfalls als Gegenantrag (siehe oben Rdn 822).
Rz. 824
Im Rahmen des Entbindungsverfahrens bedarf es aber keiner gesonderten Darlegung des Verfügungsgrundes, denn das Gesetz setzt bereits die Eilbedürftigkeit voraus, in dem es ausschließlich das Eilverfahren vorsieht.