Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 126
Nach § 77 Abs. 5 BetrVG ist eine Betriebsvereinbarung grds. mit einer Frist von drei Monaten kündbar. Den Betriebsvertragsparteien steht es aber frei, eine kürzere oder längere Kündigungsfrist zu vereinbaren. Die Kündigung bedarf keines Grundes. Allerdings können die Parteien vereinbaren, dass die (ordentliche) Kündigung nur aus bestimmten Gründen erfolgen kann.
Rz. 127
Praxistipp
Auch Betriebsvereinbarungen über die betriebliche Altersversorgung sind frei kündbar. Allerdings begrenzt das BAG die Folgen der Kündigung, indem es diese einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vertrauensschutz orientierten gerichtlichen Kontrolle unterwirft. Das BAG greift auf das für die Ablösung von Betriebsvereinbarungen entwickelte Prüfungsschema zurück. Als Faustregel gilt: Je mehr die Folgen der Kündigung in Besitzstände und Anwartschaften der Arbeitnehmer eingreifen, desto höher sind die Anforderungen an die Eingriffsgründe. Diesen Grundsatz hat das BAG durch ein drei-stufiges Prüfungsschema konkretisiert (3-Stufen-Theorie), welches danach unterscheidet, ob in den bereits erdienten Besitzstand (höchste Stufe mit strengsten Anforderungen), eine erdiente Dynamik oder in künftig Zuwächse (niedrigste Stufe) eingegriffen wird. Dieser gilt auch bei der Ablösung von Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung durch beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Regelungen im Wege des Betriebsübergangs.
Rz. 128
Neben dem ordentlichen Kündigungsrecht aus § 77 Abs. 5 BetrVG steht den Parteien bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein (nicht abdingbares) Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. An das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes sind sehr hohe Anforderungen zu stellen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in Betracht, wenn der betreffenden Partei ein Festhalten an der Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Umstritten ist, ob Betriebsvereinbarungen über Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung mit der außerordentlichen Kündigung auch ihre Nachwirkung verlieren.
Die Kündigung ist grds. an keine Form geknüpft. Sie kann daher, soweit zwischen den Parteien nichts anderes vereinbart ist, auch mündlich erfolgen. Sie muss aber in jedem Fall unmissverständlich und (ggf. nach erfolgter Auslegung) eindeutig sein, andernfalls entfaltet sie keine beendende Wirkung.
Rz. 129
Praxistipp
Aus Beweisgründen sollte für die Kündigung stets die Schriftform gewählt und der Empfangsnachweis sichergestellt werden. Die Kündigung sollte die zu kündigende Betriebsvereinbarung genau bezeichnen (sollte eine abstrakte Konkretisierung nicht möglich sein, empfiehlt sich, der Kündigung eine Kopie der zu kündigenden Vereinbarung beizufügen).
Rz. 130
Eine Teilkündigung einer Betriebsvereinbarung ist zulässig, wenn diese in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen ist oder bei selbstständigen Regelungskomplexen, die ebenso Gegenstand einer eigenständigen Betriebsvereinbarung sein könnten, regelmäßig zulässig. Soll die Teilkündigung ausgeschlossen sein, muss dies ausdrücklich vereinbart werden oder in sonstiger Weise durch die Betriebsparteien zum Ausdruck gebracht werden. Eine Teilkündigung scheidet folglich aus, wenn hierdurch das von den Betriebsparteien zugrunde gelegte Äquivalenzgefüge beeinträchtigt wird.
Rz. 131
Praxistipp
Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers ist § 120 InsO zu beachten, der der Entlastung der Insolvenzmasse dient. Nach § 120 Abs. 1 S. 1 InsO sollen Betriebsrat und Insolvenzverwalter über die einvernehmliche Herabsetzung von Leistungen einer belastenden Betriebsvereinbarung beraten. Zudem ermöglicht § 120 Abs. 1 S. 2 InsO eine Kündigung innerhalb einer Frist von drei Monaten, auch wenn im Einzelfall eine längere Kündigungsfrist zwischen den Betriebsparteien vereinbart wurde.