Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 276
Die Einführung von Kurzarbeit unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Dieses umfasst die Fragen, ob, in welchem Umfang und von welchen Arbeitnehmern des Betriebs Kurzarbeit geleistet wird.
Rz. 277
Das Mitbestimmungsrecht entfällt aufgrund des Tarifvorrangs des § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG dann, wenn alle mitbestimmungspflichtigen Fragen bereits abschließend in einem Tarifvertrag geregelt sind. Dieser greift allerdings nur vereinzelt ein, da in Tarifverträgen äußerst selten genaue Vereinbarungen zur Kurzarbeit getroffen werden. Häufiger existieren dagegen tarifvertragliche Öffnungsklauseln. Diese berechtigen den Arbeitgeber grundsätzlich zur Einführung von Kurzarbeit, während die genauen Modalitäten wiederum einer Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien überlassen bleiben. Macht ein Tarifvertrag Vorgaben für die Kurzarbeit, darf die Betriebsvereinbarung nicht dagegen verstoßen, da sie ansonsten unwirksam wäre.
Rz. 278
Mit einem bestehenden Betriebsrat sollte eine förmliche Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit abgeschlossen werden. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zwar auch im Wege einer Regelungsabrede ausüben. Diese entfaltet jedoch nur schuldrechtliche Wirkung. Sie allein berechtigt den Arbeitgeber nicht zur einseitigen Einführung der Kurzarbeit im Bedarfsfall. Vielmehr wäre zur Einführung der Kurzarbeit immer wieder die Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers erforderlich. Denn mit der Anordnung greift der Arbeitgeber in den Kerngehalt des Arbeitsverhältnisses als gegenseitiges Austauschverhältnis (Arbeitszeit gegen Lohn) ein. Nur eine förmliche und hinreichend konkrete Betriebsvereinbarung entfaltet normative Wirkung und liefert eine valide Grundlage zur einseitigen Anordnung der Kurzarbeit.
Wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats missachtet, ist die jeweilige Maßnahme unwirksam. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall den vollen Verzugslohn nach § 615 BGB schulden.
Leitende Angestellte sind nach § 5 Abs. 3 BetrVG nicht vom Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung erfasst. Für Leitende Angestellte sind daher einzelvertragliche Regelungen zur Kurzarbeit zu treffen.
Rz. 279
Der Betriebsrat hat nach der Rechtsprechung des BAG ein Initiativrecht für die Einführung von Kurzarbeit. Er hat jedoch kein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber vorzeitig eine beschlossene Kurzarbeitsregelung einseitig aufheben möchte. In Notfällen oder bei Eilbedürftigkeit entfällt das Mitbestimmungsrecht nach herrschender Ansicht allerdings nicht. Diesbezüglich sollten zur Sicherheit explizite Regelungen in Betriebsvereinbarungen getroffen werden, um dem Arbeitgeber die notwendige Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zu überlassen.