Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 507
Der Betriebsrat hat bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht dient sowohl dem Schutz der Gesundheit als auch des Lebens am Arbeitsplatz. Die Beschäftigten sollen im Betrieb keinerlei Gefährdungen ausgesetzt werden. Nach dem Sinn und Zweck ist diese Vorschrift nicht auf das BEM anzuwenden, da es einen ganz anderen Zweck verfolgte. Mit dem BEM soll nämlich zum einen geklärt werden, ob und durch welche Maßnahmen eine erneute Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vermieden werden kann, und zum anderen, ob und durch welche Maßnahmen der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Da es sich hierbei um eine individuelle Maßnahme handelt, greift das Mitbestimmungsrecht in diesem Fall noch nicht. Darauf hinzuweisen ist jedoch, dass das BEM im Einzelfall durchaus eine Notwendigkeit zur Handlung beim betrieblichen Gesundheitsschutz aufdecken kann, weil die Erkrankung möglicherweise auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist. In einem derartigen Fall würde dabei das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG greifen, nicht jedoch bereits bei der Durchführung des BEM.
Rz. 508
Das BAG hat in seinem Beschl. v. 13.3.2012 noch einmal bekräftigt, dass der in § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX enthaltene Begriff der Arbeitsunfähigkeit einer Ausgestaltung durch Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zugänglich ist. Vielmehr ist von dem gesetzlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit auszugehen, wie er auch den Regelungen des EFZG zugrunde liegt. Das BAG verweist in seiner Begründung darauf, dass der Arbeitgeber zusammen mit dem Betriebsrat und mit Zustimmung und Beteiligung des Arbeitnehmers ein BEM durchführen kann, wenn die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung („Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt krank sind) vorliegen. Der Gesetzgeber verfolge mit dieser Regelung den Zweck, durch die gemeinsame Anstrengung aller in der Vorschrift genannten Beteiligten ein Verfahren zu schaffen, das Arbeitsplätze durch geeignete Gesundheitsprävention des Arbeitsumfeldes möglichst dauerhaft sichere, weil viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit aus Krankheitsgründen erfolgten und arbeitsplatzsichernde Hilfen der Integrationsämter vor der Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung kaum in Anspruch genommen würden. Die Maßnahmen dienen damit neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen. Da im Falle einer negativen Gesundheitsprognose eine krankheitsbedingte Kündigung der zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung in Betracht komme, werde deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffes "arbeitsunfähig" auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen habe und keinen hiervon abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen schaffen wollte. Für die Bemessung des Zeitraumes von sechs Wochen komme es auf die dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten an. Nur so sei eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift gewährleistet. Damit gibt es keinen Spielraum für den Betriebsrat, im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG den Begriff der gesetzlich festgelegten Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren. Insofern haben Arbeitgeber und Betriebsrat keine Möglichkeit, durch Vereinbarung ein eigenständiges Verfahren zur Kennzeichnung einer Arbeitsunfähigkeit festzulegen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Betriebsrat – im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens – den von der Einigungsstelle zu Recht abgelehnten Vorschlag unterbreitet, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit zu vereinbaren. Danach sollten alle Arbeitnehmer einen so genannten Check-Up durchlaufen, bei dem die Arbeitsfähigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers mit "schlecht", "mittelmäßig", "gut" und "sehr gut" eingestuft würde. Arbeitnehmer mit den Werten "schlecht" und "mittelmäßig" sollten dann ein BEM durchlaufen.
In den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates i.R.d. betrieblichen Mitbestimmung nach Nr. 7 fällt auch nicht das Recht, Einfluss auf die für die Umsetzung des BEM zuständige Stelle zu nehmen. So kann der Betriebsrat nicht die Einrichtung eines paritätisch besetzten Gremiums oder auch die Einrichtung eines Dauer-Gremiums zur Behandlung des BEM verlangen. Das BAG hat jedoch in einer späteren Entscheidung seine Ansicht dahingehend modifiziert, dass das Aufstellen prozeduraler Vorgaben für die Durchführung eines BEM unter die Mitbestimmungspflicht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG fällt. So kann als Ausgestaltung des § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX i.V.m. dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein BEM-Fall...