Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 416
Ein zentrales Thema in Bezug auf elektronische Informations- und Kommunikationsmittel ist die Handhabung der privaten Nutzung betrieblicher Systeme durch den Arbeitnehmer.
(a) Gestattung der Privatnutzung
Rz. 417
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Privatnutzung des Internetanschlusses und der E-Mail-Adresse. Der Arbeitgeber entscheidet allein darüber, ob und in welchem Umfang er die Privatnutzung gestattet. Ein umfassendes Verbot der privaten Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs ist nicht mitbestimmungspflichtig. Grund dafür ist, dass ein Verbot ausschließlich dem Arbeitsverhalten des einzelnen Arbeitnehmers zuzuordnen ist und keine Belange der Betriebsordnung betrifft. Zudem ergibt sich dieses Recht aus der Sachherrschaft des Arbeitgebers.
Rz. 418
Die private Nutzung des Internets ist bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers grundsätzlich nicht erlaubt. Ohne ausdrückliche Regelung zur Frage der Art der gestatteten Nutzung besteht jedoch die Gefahr der Entstehung einer betrieblichen Übung. Betriebliche Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass allein durch die länger andauernde Duldung der privaten Internet- und E-Mail-Nutzung eine entsprechende betriebliche Übung mit der Folge des individualrechtlichen Anspruches der Arbeitnehmer auf Privatnutzung entstehen kann. Ebenso ist umstritten, welcher Art die Duldung sein muss und welcher Zeitraum maßgeblich ist. Das ArbG Wesel übertrug 2001 die Grundsätze der privaten Telefonnutzung auf die private Internetnutzung. Das Gericht nahm eine betriebliche Übung an, wenn die private Internetnutzung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vom Arbeitgeber geduldet wurde. Die herrschende Ansicht im Schrifttum lehnt dies mit dem Argument ab, dass eine Duldung der Privatnutzung eine reine Vorteilsgewährung sei, also eine bloße Annehmlichkeit vorliege, die nicht Gegenstand einer betrieblichen Übung sein könne. Erstmals liegt mit einem Urteil des LAG Nürnberg aus dem Jahr 2015 eine Rechtsprechung vor, die in einem obiter dictum das Entstehen einer betrieblichen Übung bei der gestatteten Internet-/E-Mail-Nutzung ablehnt. Das LAG Berlin-Brandenburg lehnte in einem Urt. von 2016 die betriebliche Übung unter dem Hinweis ab, dass der Arbeitgeber eindeutige Kenntnisse von der privaten Nutzung haben muss, da sonst kein "Dulden" vorliege. Ebenso hat sich der EGMR Anfang 2016 – in anderem Zusammenhang – geäußert. Das BAG hat sich zu dieser Thematik im Bereich der Internet- und E-Mail-Nutzung– soweit ersichtlich – noch nicht geäußert.
Rz. 419
Im Falle der Gestattung der Privatnutzung sollte der Hinweis erfolgen, dass diese freiwillig geschieht. Durch diesen Hinweis entsteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf die private Nutzung. Sie kann mit Wirkung für die Zukunft beseitigt werden.
(b) Kontrollmöglichkeiten
Rz. 420
Gestattet der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die private Internet- und E-Mail-Nutzung, wird er nach vorzugswürdiger Auffassung nicht zum Telekommunikationsdienstanbieter (§ 3 Abs. 2 TDDDG und § 3 Nr. 61 TKG, dazu näher Rdn 369 f.). Geht man davon aus, dass die Gestattung der Privatnutzung zur Anwendung des TDDDG führt, unterliegt der Arbeitgeber dem Fernmeldegeheimnis aus § 3 TDDDG, was durch § 206 StGB strafrechtlich geschützt ist....