Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 443
§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gewährt dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bezüglich Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 8 steht in einem engen sachlichen Zusammenhang zu dem der Nr. 10 (betriebliche Lohngestaltung), der sich auf alle geldwerten Leistungen – und damit auch auf soziale Leistungen – bezieht. Nr. 8 ist insoweit bezüglich der Sozialleistungen der speziellere Tatbestand.
Rz. 444
Unter einer Sozialeinrichtung ist ein zweckgebundenes Sondervermögen mit abgrenzbarer, auf Dauer gerichteter besonderer Organisation zu verstehen, das eine rechtliche und tatsächliche Verwaltung verlangt. Wesen einer Einrichtung ist, dass deren Mittel für die Sozialleistungen vom übrigen Betriebsvermögen abgrenzbar sind und ein gewisses Maß an organisatorischer Eigenständigkeit gewahrt ist. Außerdem muss diese Einrichtung sozialen Zwecken dienen. Der soziale Charakter setzt voraus, dass den Arbeitnehmern des Betriebes und gegebenenfalls deren Familienangehörigen über das unmittelbare Arbeitsentgelt für die Arbeitsleistung hinaus weitere Vorteile gewährt werden; diese haben insoweit Entgeltcharakter. Die Leistungen aus dem Sondervermögen sind typischerweise auf eine gewisse Dauer gerichtet und werden nicht nur in einem Einzelfall gewährt. Beispiele für Sozialeinrichtungen i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sind z.B. Kantinen, Kindergärten, Erholungseinrichtungen, Pensions- und Unterstützungskassen, Werksbusverkehr und Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften.
Rz. 445
Grundsätzlich kommt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nur in Betracht, wenn die Sozialeinrichtung Arbeitnehmer begünstigt, die vom Betriebsrat repräsentiert werden. Daher ist eine Sozialeinrichtung, die ausschließlich für leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG und Organmitglieder errichtet wird, mitbestimmungsfrei. Die bloße Mitbenutzungsmöglichkeit der Einrichtung durch leitende Angestellte nimmt der Einrichtung hingegen nicht das Mitbestimmungsrecht. Ebenso ist es unschädlich, wenn Sozialleistungen auch Personen zugutekommen, die dem Unternehmen oder Konzern nicht mehr angehören (etwa Betriebsrentner), oder nicht angehören, aber mit dem Unternehmen verbunden sind (etwa Familienangehörige).
Da eine Sozialeinrichtung zugleich eine Gemeinschaftseinrichtung i.S.d. § 13b AÜG darstellt, haben auch Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Zugang zu den Sozialeinrichtungen des Entleihers, sofern nicht eine unterschiedliche Behandlung aus sachlichen Gründen – etwa die Kürze des Einsatzes – gerechtfertigt ist.
Rz. 446
Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erstreckt sich allein auf Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Sozialeinrichtung. Dazu gehört innerhalb der Zweckbestimmung auch die abstrakte Festlegung des begünstigten Personenkreises. Nicht mitbestimmt ist dagegen die Entscheidung über die Errichtung einer Sozialeinrichtung, deren Zweckbestimmung sowie deren Dotierung. Auch das "spiegelbildliche" Handeln, nämlich die Entscheidung über die vollständige Streichung oder die Einschränkung der finanziellen Mittel einer einmal durch den Arbeitgeber gewährten finanziellen Ausstattung löst kein Mitbestimmungsrecht aus. Allerdings führt die Kürzung der finanziellen Mittel zu einer Neuverteilung der verbleibenden Mittel, über deren Grundsätze der Betriebsrat mitzubestimmen hat.
Rz. 447
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beginnt bereits bei der Entscheidung, in welcher Rechtsform (unselbstständige Einrichtung des Betriebs bzw. Unternehmens oder selbstständige juristische Person) die Sozialeinrichtung errichtet werden soll. Die tatsächliche Ausübung der Mitbestimmung kann sodann in Abhängigkeit der gewählten Rechtsnatur der Sozialeinrichtung auf verschiedene Arten erfolgen. Handelt es sich bei dieser um eine juristisch unselbstständige Einrichtung, kann die Mitbestimmung entweder durch die Einsetzung eines gemeinsamen Ausschusses nach § 28 Abs. 2 BetrVG oder eines anderen paritätisch besetzten Gremiums zur Verwaltung der Einrichtung ausgeübt werden. Handelt es sich hingegen um eine juristisch selbstständige Einrichtung, ergeben sich wiederum zwei Alternativen, die Mitbestimmung zu verwirklichen. Der tatsächlich einfachere Weg besteht in der Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in die satzungsmäßigen Organe der Einrichtung, um auf diesem Wege unmittelbaren Einfluss auf die dortigen Verwaltungsentscheidungen zu nehmen (sog. organschaftliche Lösung). Fehlt es an einer organschaftlichen Regelung, gilt die – aufwändigere – sog. zweistufige Lösung. Hierzu bedarf es zunächst – notfalls über die Einigungsstelle – der inhaltlichen Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die anschließend durch den Arbeitgeber gegenüber der juristischen Person durchzusetzen ist. Hierzu ist de...