Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 610
Als präventive Maßnahme soll die Gefährdungsbeurteilung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erfolgen.
Der Arbeitgeber hat vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung) und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung am Arbeitsmittel entbindet nicht von dieser Pflicht (§ 3 Abs. 1 BetrSichV). Mit ihr soll vor der Auswahl und der Beschaffung der Arbeitsmittel begonnen werden (§ 3 Abs. 3 BetrSichV). § 3 Abs. 2 Betriebssicherheitsverordnung schreibt vor, dass alle Gefährdungen in die Beurteilung einzubeziehen sind, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln ausgehen, und zwar von den Arbeitsmitteln selbst, der Arbeitsumgebung und den Arbeitsgegenständen, an denen Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln durchgeführt werden. Die wechselseitige Beeinflussung dieser Faktoren ist zu berücksichtigen. Die gesetzlichen Vorschriften fordern von der Praxis eine "digitale Produktsicherheit" und eine "digitale Ergonomie", besonders zu beachten sind die Konsequenzen aus der zunehmenden Bedeutung der Bildschirmarbeit in der Produktion.
Rz. 611
Praxistipp
Klausel:
Bei Beschaffungsprozessen ist derjenige Vorgesetzte verantwortlich für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, der das Budget verantwortet. Bei Planungsprozessen ist der Projektleiter verantwortlich für die Beachtung der sich aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz ergebenden Aufgaben; der Budgetverantwortliche hat sicherzustellen, dass die erforderliche Gefährdungsbeurteilung erstellt ist.
Rz. 612
Die Arbeitsstättenverordnung schreibt vor, dass die Gefährdungsbeurteilung bereits beim Einrichten von Arbeitsstätten beginnt. Einrichten ist das Bereitstellen und Ausgestalten der Arbeitsstätte.
Die Gefährdungsbeurteilung ist vor Aufnahme der Tätigkeit durchzuführen und zu dokumentieren (ASR V.3 Nr. 4 Abs. 3). Die Integration des Arbeitsschutzes in die Planung von Arbeitsstätten ist von grundlegender Bedeutung. Nach dem Einrichten einer Arbeitsstätte lassen sich Veränderungen nur mit einem zusätzlichen Aufwand realisieren. Um dies zu vermeiden, sind zweckmäßigerweise bereits im Planungsprozess von Neu – oder Umbauten die Nutzung der Arbeitsstätte und der ergonomischen Anforderungen zu ermitteln und als Anforderungen an die Arbeitsstätte festzuhalten (ASR V.3 Nr. 4.2.1 Abs. 2). Verlangt ist die frühzeitige Einbeziehung der Beschäftigten und der Betriebsräte in den Planungsprozess.
Rz. 613
Gemäß § 6 Abs. 1 GefStoffV hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Gemäß § 7 Abs. 1 GefStoffV darf der Arbeitgeber eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen (Tätigkeitsverbot!), nachdem eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 durchgeführt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 ergriffen worden sind.
Rz. 614
Auch § 8 Abs. 3 BioStoffV verlangt, dass die Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeiten durchzuführen ist.
Eine rechtzeitige an Prävention orientierte Gefährdungsbeurteilung bietet die Chance, die korrektiven Aufwände und Widerstände aufgrund einer späteren Gefährdungsbeurteilung zu minimieren, vor allem aber gesundheitsrelevante Gestaltungsziele und –prozesse in den betrieblichen Veränderungsalltag zu integrieren.