Rz. 384

Bei der betrieblichen Internet- und E-Mail-Nutzung eröffnet sich für den Arbeitgeber allein durch die Standardsoftware eine Vielzahl von Überwachungsmöglichkeiten. Sowohl bei der Einführung eines Internetzuganges als auch bei der Einrichtung eines E-Mail-Anschlusses besteht für den Betriebsrat grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.[1064] Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, sofern diese dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistungen der Arbeitnehmer zu überwachen.

 

Rz. 385

An den Begriff der technischen Einrichtung werden keine großen Anforderungen gestellt. Technische Einrichtungen sind alle optischen, mechanischen, akustischen oder elektronischen Geräte.[1065] Bei einem Internetzugang oder einer E-Mail-Adresse handelt es sich damit um eine technische Einrichtung. Auch bei der Einrichtung einer konzernweiten Facebook-Seite kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 bestehen. Nach Ansicht des BAG kann die Funktion "Besucher-Beiträge" eine Überwachung ermöglichen, wenn sie den Nutzern Postings zum Verhalten und der Leistung konzernzugehöriger Arbeitnehmer ermöglicht.[1066]

 

Rz. 386

Der Begriff der Überwachung ist ebenfalls sehr weitgehend. Unter den Begriff der Überwachung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fällt sowohl die reine Erhebung von Daten, sobald sie mit Hilfe einer technischen Einrichtung ausgeführt wird, als auch die Phase der technischen Verarbeitung – auch wenn die Erhebung der Daten auf manuellem Wege erfolgt.[1067] Ebenso sind die Phasen der Speicherung oder der Auswertung unter den Begriff der Überwachung zu subsumieren.[1068]

 

Rz. 387

Weiterhin ist es entgegen des Gesetzeswortlautes ausreichend, dass die Einrichtung aufgrund ihrer Konstruktion oder technischen Ausstattung objektiv zur Überwachung geeignet ist.[1069] Auf eine konkrete Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an.[1070] Es ist deshalb auch irrelevant, ob die Überwachung Ziel der technischen Einrichtung oder nur möglicher Nebeneffekt ist. Ausreichend ist allein die objektive Möglichkeit.[1071]

 

Rz. 388

Gegenstand der Überwachung muss dabei das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers sein. Unter Leistung versteht man grundsätzlich die vom Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitspflicht erbrachte Arbeit. Verhalten ist jedes für das Arbeitsverhältnis relevante Tun oder Unterlassen. Begrifflich wird hier auch die Leistung miteingeschlossen, so dass es auf eine Differenzierung letztlich nicht ankommt.[1072]

 

Rz. 389

Das Mitbestimmungsrecht dient dem Persönlichkeitsschutz des einzelnen Arbeitnehmers vor den Gefahren anonymer Kontrolleinrichtungen.[1073] Es sind daher nur solche Überwachungsmaßnahmen maßgeblich, die einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden können.[1074]

 

Rz. 390

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht unabhängig von der Frage, ob der Internetzugang und die E-Mail-Adresse nur dienstlich oder auch privat genutzt werden dürfen.

[1064] Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn 293; ders., Gläserne Belegschaften?, Rn 833; Beckschulze/Henkel, DB 2001, 1491, 1500; Panzer, Mitarbeiterkontrolle und neue Medien, S. 284; Kömpf/Kunz, NZA 2007, 1341, 1344.
[1065] ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rn 48.
[1067] Richardi, § 87 BetrVG Rn 489 ff. m.w.N.
[1068] GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 520 ff.
[1069] Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 226.
[1070] Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 226.
[1071] BAG 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556; Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn 756.
[1072] BAG 11.3.1986 – 1 ABR 12/84, NJW 1986, 2724; Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 221.
[1073] Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 215.
[1074] Fitting u.a., § 87 BetrVG Rn 219.

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