Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 565
Grundlegende Norm der Organisationspflicht des Arbeitgebers im betrieblichen Gesundheitsschutz ist § 3 Abs. 2 ArbSchG. Hiernach hat der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten
1. |
für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie |
2. |
Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. |
Rz. 566
Diese Verpflichtung besteht, weil es auch von der betrieblichen Organisation abhängt, ob Arbeitssysteme sicher und gesundheitsgerecht gestaltet sind. Defizite in der betrieblichen Organisation – die Beschaffung ohne Berücksichtigung von Arbeitsschutzanforderungen, Auswahl ungeeigneter Arbeitsmittel, unzureichender Instandhaltung, fehlende Pflichtenübertragung und unterlassene Unterweisung, fehlende Durchsetzung der Weisungen und der Tragepflicht persönlicher Schutzausrüstungen – erhöhen das Risiko von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen, führen aber auch zu erhöhter Fehlerhäufigkeit, schlechter Qualität sowie abnehmender Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft.
Rz. 567
Die vom Arbeitgeber geschaffene Ablauforganisation bestimmt die jeweils verantwortlichen Akteure, vorzugsweise Führungskräfte wie Betriebsleiter, Abteilungsleiter, Meister, sonstige fachkundige Personen. Sie beschreibt, welche Verantwortlichkeiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes von den jeweiligen Stellen wahrgenommen werden sollen. Es handelt sich um einen kollektivbezogenen Vorgang, bei dem der Betriebsrat mitzubestimmen hat.
Rz. 568
§ 3 Abs. 2 ArbSchG ist – so das BAG – gewissermaßen der "Prototyp" einer allgemein gehaltenen Rahmenvorschrift. Sie gibt dem Arbeitgeber kein bestimmtes, verallgemeinerungsfähiges Organisationsmodell vor, sondern setzt einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Diese ist maßgeblich vom konkreten Ausmaß der jeweils bestehenden Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie von der Betriebsgröße abhängig. Die Vorschrift enthält von den Betriebsparteien auszufüllende Regelungsspielräume.
Rz. 569
Von dieser grundlegenden betriebsorganisatorischen Norm ist die Befugnis des Arbeitgebers zur Delegation von Verantwortung aus § 13 Abs. 2 ArbSchG zu unterscheiden: Ihm ist es gestattet, zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit zu beauftragen, ihm obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Vorschrift nennt die personellen Optionen, die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um seiner Organisationspflicht nach § 3 Abs. 2 ArbSchG nachzukommen. Der Arbeitgeber wird dadurch nicht von seiner Verantwortung entbunden. Die Beauftragten müssen Weisungsbefugnisse haben, weil sie ansonsten die Umsetzung der gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers nicht gewährleisten können.
Die beauftragten Personen sind neben ihm für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben verantwortlich. Die jeweilige Delegation von Aufgaben erfolgt zur Durchführung einer mitbestimmten betrieblichen Arbeitsschutzorganisation oder einer mitbestimmten Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung unterliegt aber als Einzelfallregelung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates.
Die Delegation von Aufgaben nach § 13 Abs. 2 ArbSchG an Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ist zwar formal möglich, aus fachlicher Sicht abzulehnen. Denn Interessenkollisionen sind im Hinblick auf die Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung der Fachkunde und der Übernahme von Arbeitgeberverantwortlichkeiten in der Arbeitsschutzorganisation vorgezeichnet. Die Übertragung der Sicherheitsverantwortung auf die Fachkraft für Arbeitssicherheit exkulpiert den Arbeitgeber nicht, da § 6 ASiG die lediglich unterstützende und beratende Funktion der Fachkraft für Arbeitssicherheit hervorhebt.